Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
Grunde sah es von innen kaum anders aus als der kleine Jet. Höchstens, dass die Sitze größer und weicher waren und die Anschnallgurte breiter.
Whitehead wartete, bis sie alle saßen, und überprüfte jeden Gurt gründlich, ehe er selber auf dem Pilotensitz Platz nahm. Während er allerhand Regler betätigte und mit irgendjemandem per Funk unverständliche Bemerkungen austauschte, spähte Urs durch das winzige Fenster neben sich hinaus. Das Shuttle hatte breite Dreiecksflügel, an denen es von einer Reihe massiver Klammern festgehalten wurde. Noch.
»Achtung!«, rief Whitehead. »Start in drei . . . zwei . . . eins . . . jetzt.«
Urs sah die Klammern alle auf einmal zurückschnappen und im gleichen Moment stieg das Shuttle in die Höhe.
»Und Zündung!«, rief Whitehead.
Irgendwo fauchte ein Triebwerk und der plötzliche Vollschub war wie ein Hammerschlag in den Rücken. Es riss Urs den Kopf nach hinten gegen den Sitz und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Wie mochte Elinn das durchstehen?
Innerhalb von Minuten wurde die Kugelgestalt der Erde sichtbar und der Himmel tiefschwarz: Sie waren an der Grenze zum Weltall angelangt.
Dann, mit einem Schlag, der durch die ganze Maschine ging, endete die Beschleunigungsphase. Urs sah Elinn aufatmen. Er fühlte sich so leicht – war das schon die Schwerelosigkeit?
Aus dem Cockpitlautsprecher klang wieder die Stimme des Mannes, mit dem Whitehead vor dem Start gesprochen hatte. »Peter Washington meldet sich ab«, sagte sie. »Guten Flug, SH-5-1!«
»Danke, C-5-1«, erwiderte Yules Whitehead. Er wandte den Kopf. »Das war unsere Unterstufe. Sie kehrt jetzt zum Trägerflugzeug zurück.«
Urs sah hinaus. Ein Fluggerät, das fast die gleiche Art Flügel hatte wie ihr Shuttle, nur irgendwie seltsam anders montiert, glitt gerade von ihnen weg und in eine weite Kurve.
Er begriff, dass diese Maschine unterhalb ihres Shuttles befestigt gewesen war, Flügel an Flügel. Sie hatte sie auf die jetzige Geschwindigkeit beschleunigt, besaß aber nun nicht mehr genug Treibstoff, um selber bis ins All vorstoßen zu können.
Das übernahmen nun die eigenen Triebwerke des Shuttles, die bei Weitem nicht so stark waren.
»Du hattest eine Frage, Urs«, meinte Whitehead, als sie auf Kurs waren.
Urs blinzelte. Die Angst, dass alles nur ein Traum sein könnte, hatte deutlich nachgelassen. »Sie haben kein Wort darüber gesagt, wie Sie uns überhaupt gefunden haben.«
»Ich wusste, wo ihr seid«, erwiderte Whitehead. »Genauer gesagt, wusste ich, wo Carl war. Dank eines Chips, den er . . . Wo trägst du ihn, Carl?«
»In der Schulter«, sagte Carl. »Genau wie Sie’s gesagt haben.«
Urs musterte Carl ungläubig. Oh nein , dachte er. Es ist doch bloß ein Traum. »Ein … was?«
»Die Dinger sind winzig klein«, rief Whitehead von vorne. »Ich meine, wirklich winzig. Nanogeräte. Nicht aufspürbar, unsichtbar auf allen Röntgen- und sonstigen Bildern, geben keinerlei Signal von sich. Außer, jemand sendet den richtigen Code. Dann reagiert der Chip mit einem ultrakurzen Signal, das man von Satelliten aus anpeilen kann.« Er drehte an einem Regler. »Deswegen ist die Schulter der geeignetste Ort.«
»Ah«, machte Urs, den Blick unverwandt auf Carl gerichtet. »Und so was hat man, wenn man auf dem Mars geboren ist, oder was?«
Carl schüttelte den Kopf. »Hab ich erst seit Freitag.« Endlich merkte er, dass das eine alles andere als erschöpfende Auskunft war, und fügte hinzu: »Ich bin doch mit Amrita ins Verwaltungsgebäude gegangen, um Senator Bjornstadt anzurufen. Na ja, hab ich versucht, aber mich hat er auch nicht zurückgerufen. Und weil da gerade eine Broschüre der Whitehead-Stiftung lag, fiel mir ein, dass Mister Whitehead ja auch eine Raumstation hat. Also habe ich einfach dort angerufen.«
»In meiner Zentrale arbeiten die besten Telefonisten der Welt«, fügte Whitehead hinzu. »Die haben einen sechsten Sinn dafür, was wichtig ist und was nicht.«
Carl nickte. »Ich hatte ihn innerhalb von ein paar Minuten am Apparat. Ich hab ihm alles erzählt und na ja – er meinte, es könnte sein, dass wir in Gefahr sind. Und dann hat er vorgeschlagen, dass ich mir für alle Fälle so ein Ding injiziere.«
»Klar. Die liegen ja auch überall rum.«
»Nein, aber Amrita wusste gleich, was er meinte.«
»Man benutzt diese Chips vor allem«, mischte sich Whitehead ein, »um Kunstwerke, Antiquitäten und so weiter zu markieren. Seit es diese Methode gibt, werden zum Beispiel so gut
Weitere Kostenlose Bücher