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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Ton sagte sie: »Kein Grauer sieht sie. Ich nehme eher an, Ihr seid es, der unter Halluzinationen leidet.«
    »Vielleicht.« Ulan Dhor lächelte trocken. Eine Weile blieben sie in der staubigen Stille des alten Turms sitzen, dann beugte Ulan Dhor sich vor, legte die Arme um die Knie und runzelte die Stirn. Er durfte sich nicht von vornherein geschlagen geben. »Wir müssen uns diesen Tempel Pansius näher ansehen«, erklärte er.
    »Es wird unser Tod sein«, murmelte sie.
    Ulan Dhor, den sein Entschluß bereits in bessere Stimmung versetzt hatte, brummte: »Ein bißchen Optimismus könnte Euch nicht schaden… Ich brauche einen Luftwagen. Wo sind noch welche zu finden?«
    Sie starrte ihn mit großen Augen an. »Ihr seid verrückt!«
    Ulan Dhor stand auf. »Also, wie komme ich an einen davon heran?«
    Sie schüttelte traurig den Kopf. »Ihr beschwört den Tod herbei, so oder so.« Auch sie erhob sich. »Wir werden den Schacht des Nichtgewichts ganz hinauf schweben.«
    Ohne Zögern trat sie in die Leere. Ulan Dhor folgte ihr mit kaum verhohlenem Zaudern. In eine schwindelerregende Höhe ließen sie sich tragen, während die Schachtwände in unvorstellbarer Tiefe zu einem Punkt zusammenliefen. Ganz oben zogen sie sich an den Haltegriffen auf festen Boden, hinaus auf ein Flachdach, über das ein sanfter Wind strich.
    Höher als auf dem höchsten Berg standen sie hier. Die Straßen Ampridatvirs schienen nur dünne Fäden, der Hafen war ein winziges Becken, doch das Meer erstreckte sich bis zum dunstigen Horizont.
    Drei Flugwagen standen auf dem Dach. Ihre Metallhülle glänzte wie neu, auch das durchsichtige Glasverdeck, und das Emaille ebenfalls, als hätte der Himmel diese Luftboote gerade erst auf die Erde geschickt.
    Sie traten an das nächststehende. Ulan Dhor drückte auf den Einlaßknopf, und das Verdeck klappte mit einem schwachen Zischen zurück.
    Das Innere war wie das des anderen Wagens – eine gepolsterte Sitzbank, eine Kugel auf einem Stab, eine Anzahl von Schaltern und Hebel. Der Polsterstoff knisterte vom Alter, als Ulan Dhor leicht darauf klopfte, und die Luft, die sich noch nicht erneuert hatte, roch muffig. Er stieg hinein. Elai folgte ihm. »Ich werde Euch begleiten«, erklärte sie. »Der Tod durch Absturz ist schneller als Verhungern und weniger schmerzhaft als durch Steine…«
    »Ich hoffe, wir werden weder abstürzen noch verhungern«, brummte Ulan Dhor. Vorsichtig drehte er an den Schaltern, sofort bereit, sie beim ersten Anzeichen einer Gefahr in ihre Ausgangsstellung zurückzubringen.
    Die Glaskuppel schloß sich über ihren Köpfen. Tausende von Jahren alte Relais klickten, Nocken drehten sich. Der Flugwagen ruckte und begann sich sacht in den roten und dunkelblauen Himmel zu heben. Ulan Dhor griff nach dem Kugelstab und lernte schnell, wie das Flugboot sich wenden und sein Bug sich in die Höhe oder Tiefe lenken ließ. Diese Beherrschung der Luft war ein herrliches, berauschendes Gefühl. Und es war viel einfacher, als er es sich vorgestellt hatte, ja einfacher sogar, als zu Fuß zu gehen! Er probierte alle Schalter und Hebel aus, stellte fest, wie man den Luftwagen einfach schweben lassen konnte, wie man bremste. Er entdeckte den Geschwindigkeitshebel und drückte ihn bis zum Anschlag. Der Wind pfiff an ihnen vorbei. Weit über die See flogen sie, bis die Insel nur noch ein Schatten am Rand der Welt war. Bis fast zu den Schaumkronen lenkte er das Boot herab, dann schoß er hoch und durchschnitt die dunstige Substanz der Wolken.
    Elai war völlig entspannt und begeistert von diesem berauschenden Erlebnis. Sie hatte sich verändert. Ulan Dhor war ihr näher als Ampridatvir. Es schien, als wären die Bande, die sie an diese Stadt gefesselt hatten, zersprungen. »Wir wollen weiterfliegen!« jauchzte sie. »Weiter und immer weiter
    – über die Wälder, über die ganze Welt…«
    Ulan Dhor warf ihr einen verstohlenen Blick aus dem Augenwinkel zu. In ihrer Begeisterung war sie wunderschön –
    reiner, feiner, stärker als alle Frauen, die er in Kaiin gekannt hatte. Mit ehrlichem Bedauern erwiderte er: »Dann würden wir wahrhaftig verhungern, keiner von uns kann in der Wildnis überleben. Außerdem habe ich mein Wort gegeben, die Tafeln zu suchen…«
    Sie seufzte. »Also gut. Wir werden den Tod finden. Doch was macht es schon aus? Die ganze Erde stirbt…«
    Der Abend kam, und sie kehrten nach Ampridatvir zurück.
    »Dort!« rief Elai. »Dort sind Cazdals und dort Pansius Tempel.«
    Ulan Dhor

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