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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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lächelte, und ihr Gesicht war wie verwandelt.
    »Ich habe Euch ein Frühstück gebracht. Auch etwas Anständiges zum Anziehen«, sagte sie.
    Sie legte Brot und geräucherten Fisch neben ihn auf den Boden und goß dampfenden Kräutertee in eine irdene Tasse.
    Während er aß, beobachtete er sie, und sie beobachtete ihn.
    Eine Spannung herrschte zwischen ihnen. Er fühlte, daß sie in seiner Gegenwart voll Unsicherheit war.
    »Wie heißt Ihr?« fragte sie.
    »Ich bin Ulan Dhor. Und Ihr?«
    »Elai.«
    »Elai… Ist das alles?«
    »Brauche ich einen längeren Namen? Er genügt doch, oder?«
    »Oh, natürlich.«
    Sie setzte sich mit überkreuzten Beinen ihm gegenüber.
    »Erzählt mir von dem Land, aus dem Ihr kommt.«
    »Ascolais ist jetzt zum größten Teil von Wäldern überwuchert, in die sich nur wenige hineinwagen«, begann Ulan Dhor. »Ich lebe in Kaiin, einer sehr alten Stadt, vielleicht so alt wie Ampridatvir, aber wir haben keine so hohen Türme fließenden Straßen. Wir, selbst die Ärmsten und Niedrigsten von uns, wohnen in den alten Palästen aus Marmor und Holz.
    Einige der schönsten Häuser verkommen und zerfallen, weil niemand sie bewohnt und sich um sie kümmert.«
    »Und was ist eure Farbe?« fragte sie.
    »Welch Unsinn!« erwiderte Ulan Dhor ein wenig heftig.
    »Wir tragen alle Farben, wie es uns eben gefällt. Keiner macht sich Gedanken darüber. Weshalb beschäftigen Euch Farben so sehr? Warum tragt Ihr, zum Beispiel, Grau und nicht Grün?«
    Sie wich seinem Blick aus und ballte nervös die Hände.
    »Grün? Das ist die Farbe des Dämons Pansiu. Niemand in Ampridatvir trägt Grün.«
    »Da täuscht Ihr Euch aber gewaltig«, widersprach Ulan Dhor. »Natürlich tragen die Leute hier Grün. Ich habe gestern zwei Fischer auf See getroffen, die Grün trugen. Sie brachten mich hierher in die Stadt.«
    Sie lächelte traurig, schüttelte den Kopf. »Ihr irrt Euch.«
    Ulan Dhor lehnte sich zurück. Er schwieg eine Weile, dann sagte er. »Ein Kind sah mich heute morgen und lief schreiend davon.«
    »Daran war Euer roter Mantel schuld. Wenn ein Mann in Ampridatvir Ehren gewinnen will, streift er einen roten Mantel über und macht sich auf den Weg durch die Stadt zum verlassenen Tempel Pansius, um die verlorene Hälfte von Rogol Domedonfors' Tafeln zu suchen. Die Legende berichtet, daß die Grauen wieder stark und mächtig sein werden, wenn sie diese Tafelhälfte in ihren Besitz bringen können.«
    »Wenn der Tempel verlassen ist, weshalb ist es dann noch nicht geglückt, die Tafel herbeizuschaffen?« fragte Ulan Dhor trocken.
    Sie zuckte die Achseln und starrte blicklos vor sich hin.
    »Wir glauben, daß der Tempel von Geistern bewacht wird. Wie dem auch sei, auch in Cazdals Tempel kommen hin und wieder Männer in Rot, um ihn zu plündern. Sie wurden immer noch gefaßt. Ein Mann in Rot ist also jedermanns Feind und Freiwild für alle.«
    Ulan Dhor erhob sich und legte den grauen Umhang über, den das Mädchen ihm gebracht hatte.
    »Wie sehen Eure Pläne aus?« fragte sie und stand ebenfalls schnell auf.
    »Ich möchte mir Rogol Domedonfors' Tafeln ansehen, und zwar sowohl die in Cazdals als auch in Pansius Tempel.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Völlig unmöglich. Außer den Hohepriestern darf niemand Cazdals Tempel betreten. Und Geister bewachen den Pansius.«
    Ulan Dhor grinste. »Wenn Ihr so nett wärt und mir zeigen würdet, wo diese Tempel sind…«
    »Ich komme mit Euch«, sagte sie. »Aber Ihr müßt den grauen Umhang anbehalten, sonst geraten wir beide in große Schwierigkeiten.«
    Sie traten hinaus in den Sonnenschein. Der Platz war voll von gemächlich dahinwandelnden Menschen, sowohl Männern als auch Frauen. Einige trugen Grün, andere Grau. Ulan Dhor bemerkte, daß sie einander völlig ignorierten. Grüne blieben bei grüngestrichenen Kaufständen mit Lederwaren, Früchten, Gebäck, Geschirr, Körben und allem möglichen anderen stehen. Die Grauen erwarben, woran immer sie interessiert waren, von ähnlichen Ständen, die grau gestrichen waren. Er sah zwei Gruppen Kinder, eine in grünen Lumpen, die andere in grauen, die kaum zehn Fuß voneinander entfernt spielten, ohne sich gegenseitig auch nur eines Blickes zu würdigen. Ein Ball aus zusammengeknüpften Lumpen rollte von den grauen Kindern zwischen die balgenden grünen. Ein graues Kind rannte hinüber, holte den Ball zwischen den Füßen eines grünen Bürschchens zurück, und keiner der beiden beachtete den anderen auch nur im

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