Die sterblich Verliebten
mehr alles in meiner Hand, sondern verteilt sich immer mehr. Wenn man einmal etwas in Gang gebracht hat und dann abgibt, gibt man es gleichsam aus der Hand, entledigt sich des Ganzen, ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, vielleicht nicht, du hast nie einen Tod arrangieren und vorbereiten müssen.« Ich stutzte bei dem Wort ›müssen‹; diese Einstellung war absurd, er hatte nichts tun ›müssen‹, niemand hatte ihn gezwungen. Außerdem hatte er von ›Tod‹ geredet, der neutralste aller Begriffe, nicht von ›Totschlag‹, nicht von ›Mord‹, nicht von ›Verbrechen‹. »Man erhält knappe Berichte darüber, wie die Dinge laufen, überwacht alles, beschäftigt sich jedoch mit nichts Konkretem. Ja, ein Fehler tritt auf, Canella irrt sich im Mann, und ich erfahre davon, sogar Miguel erwähnt das Missgeschick des armen Pablo, ohne zu ahnen, dass es mit seiner Bitte zu tun hat, ohne das eine mit dem anderen in Verbindung zu bringen, ohne sich vorzustellen, dass ich dahinterstecke, oder er hat sich überzeugend verstellt, das kann ich nicht wissen.« Allmählich verlor ich den Faden (was für eine Bitte?, was für eine Verbindung?, was für eine Verstellung?), aber er fuhr fort, als sei er nun in Schwung gekommen, ließ sich nicht unterbrechen. »Ruibérriz, der Idiot, traut dem Dritten von da an nicht mehr, ich bezahle ihn gut, er ist mir mehr als einen Gefallen schuldig, also nimmt er selbst die Zügel in die Hand und nähert sich dem Parkeinweiser ganz vorsichtig, heimlich, nachts ist dort tatsächlich kein Mensch auf der Straße, zeigt sich ihm in einem seiner Ledermäntel, die er hoffentlich inzwischen alle weggeworfen hat, und will sicherstellen, dass der Mann sich kein zweites Mal irrt und am Ende noch den armen Chauffeur Pablo ersticht und alles zunichte macht. Ja, dieser Zwischenfall gelangt zum Beispiel bis zu mir, aber für mich ist es bloß eine Geschichte, die man mir zu Hause erzählt, ich rühre mich nicht vom Fleck, setze keinen Fuß dorthin, mache mich nicht schmutzig, habe also nicht das Gefühl, dass ich besonders verantwortlich bin, dass es mein Werk ist, alles geschieht weitab. Das soll dich nicht wundern, manche gehen sogar noch weiter: Sie befehlen, jemanden zu beseitigen, und wollen nicht einmal wissen, wie es abläuft, in welchen Schritten, auf welche Weise. Sie vertrauen darauf, dass schließlich ein Bote kommt und ihnen mitteilt, dass dieser Jemand gestorben ist. Er war Opfer eines Unfalls, sagt man ihnen, eines ärztlichen Kunstfehlers, oder er hat sich vom Balkon gestürzt, man hat ihn überfahren oder eines Nachts überfallen, und der Unglücksmensch hat sich gewehrt und wurde umgelegt. Und so seltsam es erscheinen mag, der diesen Tod befohlen hat, ohne das Wie und Wann zu bestimmen, kann relativ aufrichtig oder mit einem gewissen Maß an Erstaunen ausrufen: ›Himmel, was für eine Tragödie‹, fast, als wäre sie ihm völlig fremd, als hätte es das Schicksal übernommen, seine Wünsche zu erfüllen. Dafür habe ich gesorgt, habe es mir so weit wie möglich vom Leibe gehalten, auch wenn ich das Wie teils eingefädelt habe: Ruibérriz hatte nachgeforscht, worin das Drama im Leben dieses Penners bestand, was der Grund für seine größte Wut, seine Schande war, und so kam er, zufällig oder vielleicht auch nicht, wer weiß, eines Tages mit der Geschichte der Töchter an, die mit Gewalt oder Tücke zu Huren gemacht worden waren, überall zieht er an Fäden, nirgendwo fehlt es ihm an Kontakten, und so entstand mein Plan oder, sagen wir, unser beider. Dennoch hielt ich mich auf Distanz, weitab: An der Front standen Ruibérriz selbst und sein Freund, der dritte Mann, und vor allem Canella, der nicht nur das Wann entschied, sondern auch entscheiden konnte, es nicht zu tun, eigentlich lag nichts in meiner Hand. So viel delegiert man da, überlässt so viel dem Handeln anderer, so viel dem Zufall, rückt so sehr auf Distanz, dass man, nachdem es geschehen ist, fast zu Recht sagt: ›Was kann ich dafür, was ein Geistesgestörter auf der Straße getan hat, zu einer Uhrzeit und in einem Viertel, die als sicher gelten? Da kann man sehen, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit war, ein Gewalttäter, er hätte nicht frei herumlaufen dürfen, schon gar nicht nach der Geschichte mit Pablo, dem ersten Warnzeichen. Schuld war die Staatsgewalt, die nichts unternommen hat, und die fürchterliche Fügung, die es auch noch gibt.‹«
Díaz-Varela stand auf und ging durchs Wohnzimmer, bis er
Weitere Kostenlose Bücher