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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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wieder hinter mir stehen blieb, mir die Hände auf die Schultern legte und sie sanft drückte, kein Vergleich zu der Hand, die mich vor zwei Wochen kurz vor meinem Aufbruch zurückgehalten hatte, als wir beide standen, wie ein Grabstein war sie gewesen. Jetzt hatte ich keine Angst, ich merkte, dass es eine Geste der Zuneigung war, auch sein Tonfall hatte sich geändert. Er war nun gefärbt von Kummer, von leichter Verzweiflung angesichts des Unvermeidbaren – leicht, da rückblickend –, er hatte den Zynismus abgelegt, als wäre er nur aufgesetzt gewesen. Inzwischen sprang er auch wieder zwischen den Zeitformen, vom Indikativ Präsens, zum Perfekt, zum Imperfekt, wie es manchmal der tut, der eine schlechte Erfahrung noch einmal durchlebt oder sich ein Begebnis nacherzählt, dem er, so gern er es hätte, noch nicht entronnen ist. Sein Ton war nun aufrichtig geworden, ganz allmählich, nicht mit einem Mal, das machte ihn umso glaubwürdiger. Aber vielleicht war genau das vorgetäuscht. Derlei nicht zu wissen ist grauenvoll, auch das Vorige hatte nach Wahrheit geklungen, hatte den gleichen Ton gehabt oder nicht den gleichen, aber einen anderen ebenso aufrichtigen. Jetzt war er verstummt, und ich konnte ihn nach dem fragen, was ich nicht verstanden hatte, nach dem, was ihm entschlüpft war. Oder vielleicht war es ihm keineswegs entschlüpft, und er hatte es bewusst eingeflochten, wartete nun auf meine Reaktion, vertraute darauf, dass es mir nicht entgangen war.
    »Du hast von einer Bitte Devernes gesprochen, von einer möglichen Verstellung. Was ist das für eine Bitte? Wobei sollte er sich verstellt haben? Das verstehe ich nicht.« Als ich das sagte, dachte ich: Was zum Teufel tue ich hier, wie kann ich bei all dem die Form so wahren, wie kann ich ihm Fragen über die Einzelheiten eines Mordes stellen? Warum reden wir darüber? Das ist kein Thema für ein Gespräch oder nur, wenn schon viele Jahre vergangen sind, wie bei der Geschichte Anne de Breuils, getötet von Athos, als der noch nicht einmal Athos war. Javier dagegen ist noch Javier, er hatte keine Zeit, sich in einen anderen zu verwandeln.
    Er drückte mir noch einmal sanft die Schultern, es war fast eine Liebkosung. Ich hatte gesprochen, ohne mich umzudrehen, jetzt musste ich ihn nicht mehr vor Augen haben, diese Berührung war mir nicht unbekannt, war nicht beunruhigend. Mich überfiel ein unwirkliches Gefühl, als befänden wir uns an einem anderen Tag, an einem Tag vor meinem Lauschen, als ich noch nichts entdeckt hatte, noch kein Schrecken existierte, nichts als vorläufige Lust und ein resigniertes, verliebtes Warten, ein Warten darauf, abgemeldet oder weggeschickt zu werden, sobald Luisa sich in ihn verliebte oder zumindest zuließ, dass er tagtäglich in ihrem Bett einschlief und erwachte. Jetzt war mir, als fehlte nicht allzu viel bis dahin, ich hatte sie seit langem nicht gesehen, nicht einmal von weitem. Wer weiß, wie es ihr inzwischen ging, ob sie sich von dem Schlag erholt hatte, wie fest sich Díaz-Varela schon in ihr eingepflanzt, sich unentbehrlich gemacht hatte in ihrem einsamen Witwenleben mit Kindern, die ihr manchmal eine zu große Last waren, wenn sie sich einschließen wollte und weinen oder gar nichts tun. Das Gleiche, was ich bei ihm in seinem einsamen Junggesellenleben versucht hatte, nur schüchtern, ohne Überzeugung oder Nachdruck, von Anfang an bezwungen.

An einem anderen Tag wäre es möglich gewesen, dass Díaz-Varelas Hände von meinen Schultern zu den Brüsten hinuntergeglitten wären und ich das nicht nur zugelassen, sondern ihn in Gedanken ermuntert hätte: ›Öffne zwei Knöpfe, schieb sie mir unter die Jacke oder die Bluse‹, befiehlt oder fleht man im Geist. ›Los, mach schon, worauf wartest du?‹ Mich durchfuhr der Drang, ihn um genau das schweigend zu bitten, die Macht der Erwartung, das irrationale Verweilen des Begehrens, das oft Umstände und Person vergessen macht und die Meinung erstickt, die man von dem Menschen hat, der das Begehren auslöst, und bei mir überwog in dem Moment die Verachtung. Aber heute würde er dem Drang nicht nachgeben, er war sich mehr als ich bewusst, dass das kein anderer Tag war, sondern der, den er gewählt hatte, um mir von seiner Verschwörung und seiner Tat zu erzählen und sich dann für immer zu verabschieden, nach dieser Unterhaltung konnten wir uns nicht mehr sehen, das war nicht möglich, wir wussten es beide. Also fuhren seine Hände nicht langsam abwärts, sondern er hob

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