Die sterblich Verliebten
Erklärung. Würdest denken, dass ich vielleicht keine Wahl hatte, aus einem dir unbekannten Grund. Du wärst bereit und willens, dich zu täuschen.«
Ich überhörte seine verfänglichen Bemerkungen, die mich in eine bestimmte, von ihm geplante Richtung lenken sollten. Ich antwortete nur auf den Anfang.
»Vielleicht übertreibe ich nicht. Vielleicht übertreibe ich keineswegs, und du weißt das. Tatsache ist, dass dir diese Verantwortung nicht behagt, ja, ich weiß, es ist nicht das richtige Wort: Man kann niemanden dafür verantwortlich machen, dass sich ein anderer in ihn verliebt. Keine Sorge, ich mache dich nicht für meine dummen Gefühle verantwortlich, sie gehen nur mich etwas an. Aber es ist unvermeidlich, dass du sie als eine kleine Last empfindest. Wenn Luisa von der Stärke der deinen wüsste (womöglich hat sie in ihrem Nebel nur die Oberfläche bemerkt, deine Aufmerksamkeiten, die Zuneigung zur Witwe deines besten Freundes), wenn sie sogar erfahren würde, zu was sie geführt haben, sie wären eine unerträgliche Last für sie. Es ist sogar möglich, dass sie sich umbringt, weil sie damit nicht fertigwerden würde. Schon deshalb werde ich ihr nichts sagen. Mach dir darüber keine Sorgen, ein Gewissen habe ich noch.« Ich hatte mich gar nicht endgültig entschieden, beim Zuhören schwankte ich immer wieder, je nachdem, wie sehr ich mich gerade empörte (später denke ich in aller Ruhe darüber nach, allein, mit kühlem Kopf, dachte ich), aber auf alle Fälle war es gut für mich, ihn zu beruhigen, damit ich gehen konnte, ohne mich bedroht zu fühlen, ob gegenwärtig oder zukünftig, wenn ich auch Letzteres, wie ich ahnte, niemals ganz würde ausschließen können, bis ans Ende meiner Tage nicht. Ich wagte, leicht scherzhaft, denn auch das Scherzen war gut für mich, hinzuzufügen: »Natürlich wäre das der beste Weg, sie beiseitezuräumen, zu tun, was du mit Desvern getan hast, und ich würde mir dabei die Hände noch viel weniger schmutzig machen.«
Den Humor – zugegeben, ein finsterer – wusste er ganz und gar nicht zu schätzen, die Bemerkung machte ihn ernst, drängte ihn in die Defensive. Nun schob er sich die Ärmel tatsächlich noch weiter hoch, beidseitig mit energischen Gesten, als bereitete er sich auf einen Angriff vor oder wollte einen Kraftakt vorführen, er schob sie bis über den Bizeps wie ein tropischer Galan aus den fünfziger Jahren, Ricardo Montalbán, Gilbert Roland, einer dieser sympathischen Männer, die fast alle Welt inzwischen vergessen hat. Er würde nicht angreifen, versteht sich, mich auch nicht schlagen, das entsprach nicht seinem Charakter. Ich begriff, dass ihn etwas über die Maßen geärgert hatte und er es nun widerlegen würde.
»Ich habe sie mir nicht schmutzig gemacht, vergiss das nicht. Darauf habe ich streng geachtet. Du weißt nicht, was es bedeutet, sie sich tatsächlich schmutzig zu machen. Du weißt nicht, wie weit einen das Delegieren von der Tat entfernt, hast keine Ahnung, wie sehr es hilft, andere dazwischenzuschieben. Weshalb, glaubst du, tut das jeder, wo er nur kann, bei erstbester Gelegenheit, egal bei welcher auch nur annähernd unbequemen, eine Spur unangenehmen Situation? Weshalb, glaubst du, nimmt man sich bei Rechtsstreitigkeiten, bei der Scheidung einen Anwalt? Nicht nur wegen ihrer Kenntnisse und Tricks. Weshalb, glaubst du, haben Schauspieler und Schauspielerinnen einen Impresario, Schriftsteller einen Agenten, Toreros einen Bevollmächtigten, Boxer einen
manager,
als wirklich noch geboxt wurde? Die heutigen Puritaner machen noch alles zunichte. Weshalb, glaubst du, nehmen sich Unternehmer einen Strohmann, weshalb schickt jeder wohlhabende Verbrecher Schläger oder engagiert Killer? Nicht nur, um sich buchstäblich die Hände nicht schmutzig zu machen, auch nicht aus Feigheit, weil sie ihr Gesicht nicht hinhalten, nicht das Risiko eingehen wollen, in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Meist haben die, die sich regelmäßig solcher Helfer bedienen (ein anderer Fall sind die, die es ausnahmsweise tun, wie ich), sich zunächst selbst in deren Fach versucht und es vielleicht zum Meister darin gebracht: Sie sind daran gewöhnt, zu verprügeln, ja anderen Kugeln zu verpassen, es wäre unwahrscheinlich, dass sie bei so einer Begegnung den Kürzeren ziehen würden. Weshalb, glaubst du, schicken die Politiker Truppen in die Kriege, die sie erklären, falls sie sich noch die Mühe machen, sie zu erklären? Die könnten allerdings, im Unterschied
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