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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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nicht wahr? Als Problem. Er war besorgt, hat dir erzählt, dass ich euch belauscht habe, in Bedrängnis bringen könnte, wenn ich die Geschichte weitertrage, zu Luisa oder der Polizei. Deshalb hat er über mich gesprochen, oder? Na, habt ihr gemeinsam die Geschichte mit dem Melanom erfunden, oder hat euch dabei Vidal unter die Arme gegriffen? Vielleicht war es auch allein dein Einfall, du bist ja ein findiger Kopf. Oder seiner? Bei dir weiß ich’s nicht, aber er, das kommt mir gerade, ist ein Romanleser, also wird er einige Tricks in petto haben.«
    Ruibérriz verlor erneut sein Lächeln, diesmal übergangslos, als hätte ein Tuch es fortgewischt. Er wurde ernst, ich sah Beunruhigung in seinen Augen, seine Haltung war nicht länger galant und locker, er rückte sogar mit seinem Stuhl von mir ab, mit dem er Stück für Stück näher gekommen war.
    »Du weißt von der Krankheit? Was weißt du noch?«
    »Das ganze Melodrama hat er mir erzählt. Was ihr mit dem armen
Gorrilla
gemacht habt, das mit dem Handy, mit dem Messer. Er kann dir dankbar sein, du hast den schlimmsten Part erwischt, er konnte zu Hause bleiben, nicht wahr? Von dort die Operation leiten, ein Rommel.« Den Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen, Díaz-Varela hatte mich gekränkt.
    »Du weißt, was wir getan haben?« Das war mehr Feststellung als Frage. Er brauchte einige Sekunden, bis er fortfahren konnte, als müsste er die Neuigkeit erst verdauen, für ihn schien es eine zu sein. Er klappte die Oberlippe mit dem Finger vollends hinunter, eine flüchtige, heimliche Geste: Sie hatte sich nicht verhakt, sich jedoch immer noch leicht gewölbt. Vielleicht wollte er sichergehen, dass seine Miene nicht mehr vergnügt war. Was er gerade erfahren hatte, beunruhigte ihn, war ihm auf den Magen geschlagen, falls er mir nicht etwas vorspielte. Schließlich sagte er und klang enttäuscht dabei: »Ich dachte, er würde dir gar nichts erzählen, das hatte er nämlich gesagt. Dass es klüger sei, die Dinge so zu belassen, wie sie waren, und darauf zu vertrauen, dass du nicht allzu viel gehört hattest, dir keinen Reim darauf machen oder es einfach für dich behalten würdest. Die Beziehung mit dir zu beenden, das allerdings schon. Sie sei ohnehin nicht fest gewesen, hat er gesagt, er könne sie problemlos im Sande verlaufen lassen. Er brauche sich nur nicht mehr melden, eventuelle Anrufe von dir nicht erwidern, dich hinhalten. Aber er glaubte nicht, dass du insistieren würdest, ›sie ist äußerst diskret‹, hat er gesagt, ›nie erwartet sie etwas‹. Es gebe keinerlei Verpflichtung. Man müsse bloß die Voraussetzung dafür schaffen, dass du vergisst, was du von unserem Gespräch gehört haben magst. Besser, keine weiteren Aufschlüsse geben, hat er gesagt, die Zeit soll sie allmählich an dem Gehörten zweifeln lassen. ›Am Ende wird es ihr irreal vorkommen, sie wird denken, dass es Phantasien von ihr waren. Auditive Phantasien‹, das war gar kein schlechter Einfall. Deshalb nahm ich an, dass ich freie Bahn hatte, ich meine, bei dir. Und dass du über mich nichts weißt. Nichts von all dem.« Er verstummte wieder, kramte in seinem Gedächtnis oder dachte nach, so dass er das Folgende wie zu sich sprach, nicht zu mir: »Das gefällt mir nicht, gefällt mir gar nicht, dass er mir nicht Bescheid sagt und sich herausnimmt, mich nicht auf dem Laufenden über etwas zu halten, was mich direkt betrifft. Er hätte diese Geschichte niemandem erzählen sollen, es ist nicht nur seine, ja ist eigentlich mehr meine. Ich bin mehr Risiken eingegangen, bin eher in der Schusslinie. Ihn hat niemand gesehen. Das finde ich gar nicht lustig, verdammt, dass er seine Meinung geändert und dir alles erzählt hat, weißt du?, und ohne einen Ton zu mir. Bestimmt habe ich mich jetzt vor dir zum Narren gemacht.«
    Er wirkte verärgert, sein Blick abwesend oder versunken. Seine Begeisterung für mich war schlagartig eingefroren. Ich wartete ein wenig mit meiner Antwort.
    »Stimmt schon, einen Mord gestehen, den man zu mehreren begangen hat …«, sagte ich. »Er hätte es mit den anderen besprechen müssen, oder?, vorher. Wenigstens das.« Die Ironie konnte ich mir nicht verkneifen.
    Da ging er empört in die Luft.
    »He, he, hör mal. So ist das nicht, treib es nicht zu weit. Nichts von wegen Mord. Einem Freund sollte zu einem besseren Tod mit weniger Leiden verholfen werden. Ja, mag sein, kein Tod ist gut, und der
Gorrilla
hat sich mit dem Messer ziemlich wild abreagiert, das

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