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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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ich ihn beim Warten gesehen hatte und er mich bestimmt beim Sehen, er hatte kein Auge vom Verlagsportal gewandt, während er davor auf und ab gegangen war, wer weiß, wie lange schon, vielleicht seit dem theoretischen Dienstschluss, den er telefonisch erfragt haben mochte und der nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Ich beschloss mitzuspielen, zumindest für den Anfang.
    »Ach ja«, entgegnete ich und deutete meinerseits ein Lächeln an, aus Höflichkeit und als Erwiderung. »Es war etwas peinlich für mich. Ruibérriz, nicht wahr? Kein sehr geläufiger Name.«
    »Ruibérriz de Torres, ein zusammengesetzter Name. Keineswegs geläufig. Eine Familie von Militärs, Prälaten, Ärzten, Anwälten, Notaren. Schöne Geschichten könnte ich dir erzählen. Ich stehe bei ihnen auf der schwarzen Liste, bin das schwarze Schaf, darauf kannst du wetten, obwohl ich heute den hellen Pelz angelegt habe.« Er klopfte mit dem Handrücken gegen den Mantelaufschlag, eine abfällige Geste, als hätte er sich noch nicht an ihn gewöhnt, als störte es ihn, dass er nicht mehr schwarzes Gestapoleder trug. Er lachte über seinen unpassenden Miniwitz. Entweder fand er sich selbst lustig, oder er wollte sein Gegenüber anstecken. Er sah ganz wie ein Gauner aus, aber auf den ersten Blick schien er ein freundlicher, eher harmloser Gauner zu sein, man konnte sich schwer vorstellen, dass er in einen Mordplan verwickelt gewesen war. Ebenso wie Díaz-Varela wirkte er wie ein normaler Mensch, jeder auf seine Art. Wenn er sich an der Sache beteiligt hatte (und das hatte er sehr tatkräftig, so viel stand fest, aus welchen Gründen auch immer, ob aus annähernd loyalen oder fraglos niederträchtigen), schien er doch nicht fähig, es wieder zu tun. Aber vielleicht sind die meisten Verbrecher so, sympathisch und liebenswert, dachte ich, solange sie nicht ihre Verbrechen begehen. »Ich lade dich auf ein Gläschen ein, zur Feier unserer Begegnung, hast du Zeit? Gleich hier, wenn du willst.« Er zeigte auf das Frühstückscafé. »Obwohl ich Hunderte von Lokalen kenne, die unendlich amüsanter sind, wo mehr Stimmung herrscht, Lokale, von denen du dir nicht mal vorstellen kannst, dass es sie in Madrid gibt. Wenn du nachher Lust bekommst, können wir in eins gehen. Oder in einem guten Restaurant essen, wie steht es mit deinem Hunger? Wir können auch tanzen gehen, wenn dir das lieber ist.«
    Der letzte Vorschlag belustigte mich, tanzen gehen, das klang nach einer anderen Zeit. Wie sollte ich jetzt, gleich nach der Arbeit, tanzen gehen, zu einer so absurden Zeit, mit einem Unbekannten, als wäre ich sechzehn? Da er mich belustigte, lachte ich ganz offen.
    »Was redest du, wie soll ich um die Zeit und in dem Aufzug tanzen gehen. Seit neun Uhr morgens war ich da drin.« Ich machte eine Kopfbewegung in Richtung Verlag.
    »Na ja, ich dachte, später, nach dem Abendessen. Aber wie du magst, wir können auch bei dir vorbeigehen, du nimmst eine Dusche, ziehst dich um, und ab geht der Bär. Du wirst staunen, es gibt Lokale, da kann man jederzeit tanzen. Sogar mittags.« Er stieß ein Lachen aus. Es war hemmungslos. »Ich warte auf dich, solange wie nötig, oder hole dich ab, wo immer du sagst.«
    Er war zudringlich und umgarnend. Seinem Verhalten nach hatte man nicht den Eindruck, dass ihn Díaz-Varela geschickt hatte, auch wenn es nicht anders sein konnte. Woher wusste er sonst, wo ich arbeitete? Doch er benahm sich tatsächlich so, als handelte er aus eigenem Antrieb, als hätte ihn mein leicht bekleideter Anblick ein paar Wochen zuvor einfach nicht losgelassen und er hätte beschlossen, frank und frei alles auf eine Karte zu setzen, sich ins kalte Wasser zu stürzen, ein Gebot seiner Laune, manche Männer gehen so vor und fahren nicht schlecht damit, wenn sie jovial sind. Ich erinnerte mich an meinen Eindruck von neulich, dass er mich nicht nur auf der Stelle durchleuchtet hatte, sondern schon einen Schritt weiter war, ja die Tatsache, einander so flüchtig vorgestellt worden zu sein, bereits als Investition betrachtete; dass er mich sozusagen in einen geistigen Terminkalender eintrug, als rechnete er damit, mich bald schon anderswo allein zu treffen, oder als wollte er später Díaz-Varela um meine Telefonnummer bitten, frisch von der Leber weg. Vielleicht hatte jener von mir als ›Typin‹ gesprochen, weil das der einzige Begriff war, den Ruibérriz verstehen konnte: Für ihn war ich natürlich nichts anderes als eine ›Typin‹. Es störte mich nicht, auch

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