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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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der Angst. Nur wegen der Kinder und wegen Luisa, sonst nichts, keine Sorge, ich nehme mich nicht wichtig. Ich will nur sicher sein, dass du dich um sie kümmern würdest, wenigstens in der ersten Zeit. Dass sie jemanden als Stütze haben werden, der mir so ähnlich wie möglich ist. Und ob es dir gefällt oder nicht, ob du es weißt oder nicht, du bist mir so ähnlich wie möglich. Wenn auch nur, weil wir uns so lange kennen.‹
    Díaz-Varela hätte einen Moment nachgedacht und wäre dann bestimmt nicht ganz, aber doch zur Hälfte ehrlich gewesen:
    ›Aber ist dir bewusst, in was du mich da treiben würdest? Ist dir bewusst, wie schwierig es ist, ein falscher Ehemann zu sein, ohne früher oder später ein echter zu werden? In einer Situation, wie du sie beschreibst, kann es leicht passieren, dass sich Witwe und Junggeselle bald schon für mehr halten, als sie sind, und Rechte geltend machen. Setz jemanden in den Alltag eines anderen, gib ihm das Gefühl, verantwortlich und ein Beschützer zu sein, unverzichtbar für den anderen zu werden, und du wirst sehen, wohin das führt. Sofern sie annähernd attraktiv sind und kein abgrundtiefer Altersunterschied besteht. Luisa ist äußerst attraktiv, wem sage ich das, und ich kann mich über meine Resonanz bei den Frauen nicht beklagen. Nicht, dass ich glaubte, ich würde je heiraten, das ist es nicht. Aber solltest du eines Tages sterben, und ich ginge dann täglich bei dir ein und aus, wäre schwerlich zu verhindern, dass geschieht, was nie geschehen dürfte, solange du am Leben bist. Willst du mit diesem Gedanken sterben? Es sogar begünstigen oder befördern, uns dazu drängen?‹
    Desvern hätte einen Moment nachdenklich geschwiegen, als hätte er diesen Punkt vor dem Aussprechen seiner Bitte nicht bedacht. Dann hätte er mit etwas väterlicher Herablassung gelacht und gesagt:
    ›Du bist unverbesserlich in deiner Eitelkeit, deinem Optimismus. Ebendeshalb wärst du ihr ein so guter Halt, eine so gute Stütze. Ich glaube nicht, dass derlei passieren würde. Denn du bist ihr zu vertraut, wie ein Cousin, den sie unmöglich mit anderen Augen sehen kann‹, hier hätte er einen Moment gezögert oder zumindest so getan, ›als mit den meinen. Ihr Bild von dir hat sie von mir, es ist vererbt und vorbelastet. Du bist ein alter Freund ihres Mannes, von dem sie mich oft hat reden hören, zugleich herzlich und scherzend, wie du dir denken kannst. Bevor Luisa dich kennenlernte, wusste sie bereits von mir, wie du warst, ich hatte ihr dein Bild gemalt. Von jeher hat sie dich in diesem Licht, mit diesen Zügen gesehen, kann sie nicht mehr ändern, sie hatte schon ein fertiges Bild von dir, bevor ich euch vorgestellt hatte. Und ich will dir nicht verheimlichen, dass uns deine Geschichten und dein, wie soll ich’s nennen, Selbstvertrauen zum Lachen bringen. Bestimmt stört es dich nicht, dass ich das sage. Das ist einer deiner Vorzüge, und obendrein hast du es immer drauf angelegt, nicht allzu ernst genommen zu werden. Das wirst du mir doch nicht abstreiten.‹
    Díaz-Varela hätte sich wahrscheinlich geärgert, es jedoch überspielt. Niemand hört gern, dass er keine Chance bei jemandem hat, auch wenn ihn derjenige nicht interessiert und er keinerlei Eroberung im Sinn hatte. Oft vollzieht sich eine Verführung oder beginnt zumindest aus Groll oder Trotz, mehr nicht, als Wette, als Gegenbeweis. Das Interesse kommt nachher. Am Ende stellt es sich meist wirklich ein, die Manöver, der eigene Eifer erwecken es. Doch anfangs ist es nicht vorhanden, wenigstens nicht, bevor einem abgeraten, bevor man herausgefordert wurde. Vielleicht wünschte Díaz-Varela in dem Moment Devernes Tod, damit er ihm beweisen konnte, dass Luisa ihn sehr wohl ernst nehmen würde, wenn keiner mehr zwischen ihnen stand. Aber wie beweist man einem Toten etwas? Wie erfährt man von seiner Richtigstellung, seinem Eingeständnis? Nie erhalten wir von ihnen die Bestätigung, die wir brauchen, und müssen uns mit dem Gedanken begnügen: ›Wenn dieser Tote wieder unter uns wandelte.‹ Aber keiner von ihnen tut das. Er könnte es Luisa beweisen, in der Desvern eine Zeitlang fortleben würde, wie ihr Mann gesagt hatte. Vielleicht war das so, vielleicht hatte er recht. Bis er ihn fortwischen würde. Bis er seine Erinnerung, seine Spur ausgelöscht, ihn verdrängt hätte.
    ›Nein, das bestreite ich nicht, und wie sollte es mich stören. Aber auch der Blick wandelt sich gewaltig, vor allem wenn der Maler des Porträts

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