Die sterblich Verliebten
ein Unfall, eine plötzliche Krankheit, ein Unglück, bei der ich meine Hand nicht im Spiel hätte; im Gegenteil, in den Augen der anderen, ja in den eigenen wäre ich ein Opfer. Und wäre frei.« Aber Luisa ist nicht so. Sie hat sich voll und ganz in unserer Ehe eingerichtet und niedergelassen, kann sich kein anderes Leben vorstellen als das gewählte und gegenwärtige. Sie wünscht sich nur mehr vom selben, keinerlei Veränderung. Ein Tag soll dem anderen gleichen, nicht mehr, nicht weniger. Dabei kommt ihr nicht einmal der Gedanke, der mir durch den Kopf geht, das heißt, die Möglichkeit meines Todes oder des ihren, das sprengt ihr Vorstellungsvermögen, hat keinen Platz darin. Nun gut, der ihre auch nicht in meinem, ihn mir vorzustellen, fällt mir weit schwerer, und ich denke kaum darüber nach. Über meinen jedoch schon, ab und an, es gibt so Phasen, jeder kämpft mit seiner eigenen Hinfälligkeit, nicht mit der anderer, so nahe sie ihm auch stehen. Ich weiß nicht, weiß nicht, wie ich es erklären soll, es gibt Momente, da habe ich keinerlei Mühe, mir die Welt ohne mich vorzustellen. Wenn mir also eines Tages etwas zustößt, Javier, etwas Endgültiges, sollst du ihr Ersatz sein. Ja, das ist ein pragmatisches, gemeines Wort, aber treffend. Hab keine Angst, versteh mich recht. Selbstverständlich verlange ich nicht, dass du sie heiratest oder dergleichen. Du hast dein Junggesellenleben und deine vielen Frauen, auf die würdest du nicht einfach so verzichten, schon gar nicht posthum einem Freund zuliebe, der dich nicht mehr zur Rede stellen oder dir Vorwürfe machen wird, sondern der mucksmäuschenstill im Vergangenen weilt, das nie protestiert. Aber bitte bleib in ihrer Nähe, wenn ich einmal nicht mehr bin. Zieh dich wegen meiner Abwesenheit nicht zurück, im Gegenteil: Leiste ihr Gesellschaft, biete ihr Halt, Gespräch und Trost, schau täglich kurz bei ihr vorbei, ruf so oft wie möglich an, ohne Vorwand, als wäre es ganz natürlich und Bestandteil ihres Tages. Sei ihr eine Art Ehemann, ohne einer zu sein, wie ein Fortleben meiner selbst. Luisa, glaube ich, würde nicht darüber hinwegkommen ohne einen täglichen Bezugspunkt, ohne jemanden, den sie an ihren Gedanken teilhaben lassen, dem sie ihren Tag erzählen kann, ohne ein Äquivalent dessen, was sie jetzt mit mir hat, zumindest ab und an. Dich kennt sie seit langem, bei dir müsste sie sich nicht überwinden wie bei einem Unbekannten. Du könntest ihr sogar von deinen Abenteuern erzählen, sie damit zerstreuen, ihr gestatten, über dich im Geist noch einmal zu erleben, was sie für sich nicht mehr für möglich hält. Ich weiß, ich verlange viel von dir, und es brächte dir kaum Vorteile, wäre vielleicht nur eine Last. Aber Luisa könnte mich dir zum Teil ebenfalls ersetzen, könnte mein Fortleben für dich bedeuten. Man lebt immer in denen fort, die einem am nächsten stehen, und diese erkennen einander, finden über den Toten zusammen, als wäre die vergangene Beziehung zu ihm der Grundstein einer Bruderschaft, einer Kaste. Sagen wir, du würdest mich nicht ganz verlieren, würdest dir ein klein wenig von mir in ihr bewahren. Alle möglichen Frauen hast du immer bei der Hand, aber Freunde wenige. Glaub ja nicht, du würdest mich nicht vermissen. Sie und ich, wir haben zum Beispiel denselben Sinn für Humor. All die Jahre, die wir schon Witze miteinander machen.‹
Díaz-Varela hätte wohl sicher gelacht, um den unheilvollen Ton seines Freundes zu mildern, und auch, weil ihm die Bitte unfreiwillig komisch erschienen wäre, so verschroben und unerwartet war sie.
›Du verlangst von mir, dass ich dich ersetze, wenn du stirbst‹, hätte er geantwortet, halb als Feststellung, halb als Frage. ›Dass ich Luisas Ehemann mime und einen Vater auf Distanz? Ich weiß nicht, wie du auf den Gedanken kommst, du könntest bald aus ihrem Leben verschwinden, wenn es dir gesundheitlich gutgeht, wie du sagst, und es keinen triftigen Grund gibt, zu befürchten, dir könnte etwas zustoßen. Bist du sicher, dass nichts mit dir ist? Du hast also keine Krankheit. Steckst in keiner Klemme, von der ich nichts weiß. Hast dich nicht in Schulden gestürzt, die nicht zu begleichen sind oder nicht mehr mit Geld. Niemand hat dich bedroht. Du denkst nicht daran, auf eigene Faust wegzugehen, abzuhauen.‹
›Nein. Glaub mir. Ich verheimliche nichts. Es ist nur, was ich gesagt habe, manchmal überfällt es mich eben, ich stelle mir die Welt ohne mich vor und bekomme es mit
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