Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
überhaupt nichts von dir wissen wollte. Jetzt bleibst du! Du bist meine Tochter und tust, was ich dir sage.«
Es schien Mary, als habe sie sich in einer furchtbaren Falle gefangen, aus der sie sich nie würde befreien können. Sie wandte ihren Blick wieder von ihrem Vater ab und rührte in dem Brei, der immer zäher wurde und angebrannt roch. Es fiel ihr immer schwerer, für die vielköpfige Zahl von Bewohnern dieses Hauses zu kochen, zumal sie nie genügend Zutaten bekam, sondern aus dem Nichts etwas herbeizaubern mußte. Verärgert rührte sie in dem Topf herum, aber es war schon zu spät. In den wenigen Momenten ihrer Unaufmerksamkeit war alles angebrannt.
»Nennst du das kochen, was du da tust?« fragte Ambrose. »Das riecht nicht so, als ob man es hinterher essen könnte!«
»Es tut mir leid, es ist verbrannt.«
»Passiert dir reichlich oft in der letzten Zeit! Woran hast du jetzt schon wieder gedacht? An den Mann, der die Frechheit besessen hat zu sterben, obwohl du ihn heiraten wolltest? Ich sag’ dir was, an seiner Stelle hätte ich auch den Tod vorgezogen!« Ambrose kicherte.
Mary kippte das Mittagessen in den Abfallkübel.
»Wenn du mich so haßt«, sagte sie, »warum läßt du mich dann nicht gehen?«
»Hä?«
»Ich sagte, daß du mich haßt. Und daß ich nicht verstehe, weshalb du mich trotzdem hier behältst!«
»Ich kann dich noch brauchen. Außerdem gehört so ein junges Ding nicht auf die Straße. Los, komm, mach mir noch so einen Pudding, und sei diesmal nicht so knauserig!«
»Du hast seit dem frühen Morgen nahezu ununterbrochen gegessen. Ich würde an deiner Stelle...«
»Werd nicht frech, verstanden? Sei sicher, weder ich noch Edward schrecken davor zurück, dir jeden einzelnen Knochen im Leib zu brechen, wenn du anfängst, aufsässig zu werden!«
Wortlos schüttete Mary Milch in den Kessel und fing an, Essen zu machen. Dann sagte sie:
»Weißt du, du magst jetzt triumphieren. Aber eines Tages werde ich weg sein, und dann werdet ihr beiden hier immer noch sitzen, und wenn ich an euch denke, dann wird meine einzige Zufriedenheit die sein, daß sich in all der Ungerechtigkeit der Welt doch hin und wieder Menschen finden, die einander verdient haben!«
Ambrose hob den Kopf und starrte seine Tochter mit offenem Mund an.
»Hör mal, wenn du...« begann er, wurde aber unterbrochen von Edward, der polternd die Küche betrat und sich den Schnee von den Füßen stampfte. Er hatte ganz offenbar dem Oakwood House einen Besuch abgestattet, denn er brachte den Geruch von Bier mit.
»Jetzt geht’s los«, verkündete er, »der König hat’s geschafft. Wie nennt er das? Su... Suprematsakte. Jedenfalls ist er jetzt das Oberhaupt von unserer Kirche. Endgültig!« Er warf Mary einen höhnischen Blick zu.
»Hat also viel gebracht, der Heldentot von deinem Liebsten! Dachte, er kann den König aufhalten! Pah, so ein verrückter Dummkopf. Jetzt liegt er neben Lettice unter der Trauerweide!« Er lachte dröhnend.
»Ich halte mich immer aus allem raus«, sagte Ambrose selbstgefällig, »da können die Könige kommen und gehen und die Kirche kann so viel Theater machen, wie sie will, Ambrose Askew kümmert sich nicht darum, dann kümmern sich die anderen auch nicht um ihn.«
»So mache ich es auch«, stimmte Edward zu, »könnte mir nicht einfallen, so dumm zu sein wie Frederic Belville und den Soldaten ins offene Messer zu rennen! Könnte mir wirklich nicht einfallen!« Beide lachten wieder und fühlten sich unglaublich schlau. Mary wandte sich ab, damit sie ihre verächtlichen Blicke nicht sehen konnten. Ambrose und Edward brachten es nicht fertig, sie zu verletzen, dafür waren sie zu dumm, aber sobald Frederics Name fiel, ganz gleich von welcher Seite, brach eine unverheilte Wunde zu erster Frische auf und schüttete ein schmerzendes Gift aus, das den Körper sich vor Kummer zusammenkrampfen ließ. So sehr sich Mary dazu zwang, keinen ihrer Gedanken entwischen und hinaus zu den verkohlten Trümmern von Marmalon gelangen zu lassen, es geschah ihr immer wieder, daß sie sich vorstellte, wie sie jetzt schon neun Monate mit Frederic Belville verheiratet wäre und vielleicht schon ihr erstes Kind bekäme. Statt dessen saß sie hier! Mit einem wütenden Schwung stellte sie die nächste Puddingschüssel vor Ambrose hin, trat ans Fenster und sah in den grauen, leise wogenden Dezemberhimmel. Es begann schon wieder leicht zu schneien. Der Sommer war so kurz gewesen in diesem Jahr, sie vermochte sich an
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