Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Stimmengewirr in der Halle ebbte ab, alle Augen richteten sich auf die Braut. Lady Fairchild fuchtelte mit beiden Armen, um die Gäste zu bewegen, in die Kapelle zu gehen, denn dort hätten sie sitzen müssen und den Einzug der Braut erwarten. Aber niemand kümmerte sich darum. Lady Fairchild war nicht einmal sicher, ob sich der Priester am Altar befand oder inzwischen die Geduld verloren hatte und gegangen war. Sie ließ sich in den nächsten Sessel sinken und suchte nach ihrem Riechsalz.
Mary und Anne traten näher; beide forschten hastig und angstvoll in Cathleens Gesichtszügen. Sie bemerkten, daß Cathleen offenbar geweint hatte, denn ihre Augen zeigten rote Ränder. Sie sah verstört aus und brauchte wohl ihre ganze Selbstbeherrschung, um den Kopf hoch zu halten und den Blicken der vielen Menschen zu begegnen. Ihr Vater, der etwas einfältige, dicke Lord Fairchild, an dessen Arm sie sich festklammerte, merkte nichts von ihrer Anspannung.
Es hatte ihn gewundert, daß die Trauung so lange herausgeschoben wurde, noch mehr hatte es ihn überrascht, seinen künftigen Schwiegersohn die Treppe hinauf und in das Zimmer seiner Tochter stürmen zu sehen. Einen Augenblick lang hatte er sich gefragt, ob Lady Fairchild dieses Benehmen wohl als schicklich billigen würde, und war zu dem Schluß gekommen, es sei doch etwas anstößig. Aber er war kein Mann, der gern Ärger machte oder sich in die Angelegenheiten anderer Menschen einmischte. Außerdem war doch nun alles in bester Ordnung. Der Puder auf Cathleens Wangen täuschte ihn über die Tränenspuren hinweg, und so empfand er nur noch Stolz, weil seine Tochter heute einen reichen, angesehenen Mann heiratete und ein bezauberndes Kleid trug, das allen Gästen vor Augen führte, wie wohlhabend und großzügig er, Lord Fairchild, sein mußte.
»Bist du glücklich, mein Engel?« flüsterte er mit derselben Naivität, mit der er Cathleen diese Frage schon bei ihrer ersten Hochzeit gestellt hatte, und wie damals brach auch heute Cathleens Stimme, als sie antworten wollte. Er nickte wohlwollend. Sie war immer noch sein kleines Mädchen, das bei Feierlichkeiten dieser Art in Rührung zerfloß.
»Was tut sie da?« flüsterte Anne heiser.
Mary sah sie mitleidslos an. »Sie geht hin und heiratet Sir Hadleigh. Sie haben verloren.«
»Es kann nicht sein...er kann sie nicht heiraten! Sie ist eine Mörderin, sie hat ihren Mann erschlagen! Es kann nicht sein... es kann nicht...«
»Sie sehen doch, daß es sein kann. Er wartet in der Schloßkapelle auf sie. Er trägt ihr nichts nach, und was immer eben zwischen den beiden gesprochen wurde, nun ist alles friedlich und ohne Geheimnisse. Wenn es Sie aber zufriedenstellt: Schauen Sie Cathleen an. Den Glanz dieses Tages haben Sie ihr genommen.«
Anne schwankte leicht, haltsuchend griffen ihre Finger nach der Wand. »Warum tut sie das? Sie ist wahnsinnig. Sie stürzt sich in ihr Unglück. Mit mir war sie glücklich, nur mit mir!« Anne fing an zu weinen, und auf einmal klammerte sie sich an Mary fest, als suche sie Schutz bei ihr.
»Unsere langen Sommerabende, die hellen Nächte, das ganze Leben, das wir geteilt haben, sie kann es doch nicht fortwerfen, als sei es nichts gewesen. Sie kann doch ... « Anne konnte nicht weitersprechen vor Schluchzen. Mary zog sie in die Bibliothek zurück, weil sie fürchtete, daß jemand auf sie beide aufmerksam werden könnte. Sie ließ Anne auf einen Stuhl fallen und trat einen Schritt zurück.
»Nehmen Sie sich zusammen. Sie haben heute alles gewagt und nun alles verloren. Ich glaube, es ist nicht gut, wenn Sie länger hierbleiben. An Ihrer Stelle würde ich die Trauung nutzen und mich unbemerkt davonmachen.«
Anne hob ihr verweintes Gesicht. »Wo soll ich denn hin? Ach, mein Leben ist leer ohne sie und trostlos ...«
»Gehen Sie zu Ihrer Familie nach London. Es leben doch sicher noch Angehörige von Ihnen. Und sonst... was Sie erleben, erlebt jeder Mensch. Irgendwann steht jeder einmal an der Stelle, von der er glaubt, sie sei das Ende der Welt. Mir ist es auch so ergangen. Ich weiß deshalb, wovon ich spreche, wenn ich Ihnen sage: Es geht weiter. Es geht tatsächlich weiter. Aber Jammern und Weinen hilft nichts, alles hilft nichts, Sie müssen es einfach ertragen.«
»Ich kann es nicht ertragen.«
»Ich fürchte, niemand wird Sie fragen, ob Sie können oder nicht. Sie müssen eben.« Mary blickte auf die zusammengesunkene Gestalt. Zu ihrer Verwunderung spürte sie keinen Haß, aber auch kein
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