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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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glaubte, sondern Mitleid.
    »Er hat mir einen Brief für Sie gegeben«, sagte er, »er wird Marmalon verlassen. Für immer.«
     
    Mary jagte die breite Treppe in Marmalon hinauf, die von der Halle zur Galerie führte. Sie hatte ihren schwarzen Mantel achtlos von den Schultern gleiten lassen, einen Augenblick lang die Stufen hinaufgesehen, als hoffe sie, Nicolas werde ihr entgegenkommen. Alles aber blieb still. Sie rannte los, plötzlich von der Furcht befallen, er könne bereits wieder fortgegangen sein, weil er sie nicht vorgefunden
hatte. Hinter sich hörte sie Dilys und Allison tuscheln. Beide waren höchst irritiert durch die Ankunft des Fremden, und sie fanden es auch erstaunlich, wie rasch Mary von den Hochzeitsfeierlichkeiten zurückgekehrt war und wie undamenhaft sie zu ihrem Zimmer stürzte.
    »Glaubst du, er ist wirklich ihr Mann?« flüsterte Dilys. Allison zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht ist er auch ein Betrüger.«
    »Ich finde es unverschämt, daß er einfach hoch in Madames Zimmer gegangen ist. Ich hatte ihm gesagt, er soll unten im Salon bleiben. «
    »Ich glaube, er ist ein Mann, der tut, was er will«, meinte Allison ein wenig sehnsüchtig, »du bist ja auch dumm, daß du ihm gesagt hast, welches ihr Zimmer ist.«
    »Er fragte mich, und ehe ich mich versah, hatte ich geantwortet. Er hat etwas in seinem Blick, das kann einen richtig verwirren. Findest du nicht?«
    Allison fand das auch. Neidvoll blickten sie Mary nach, die oben angelangt war und einen Moment zögerte, ehe sie die Tür öffnete, die in ihr Zimmer führte.
    Nicolas stand am Fenster, der Tür den Rücken zugewandt. Er hielt eine kleine, mit dunkelblauem Samt bezogene Schmuckschatulle in seinen Händen und ließ soeben Marys Goldkette mit dem smaragdenen Anhänger daran wieder hineingleiten. Mit einem lauten Klappen schloß er den Deckel, ehe er sich langsam umdrehte.
    Mary lehnte sich gegen die Tür, die lautlos zufiel. Sie hielt beide Arme hinter dem Rücken verschränkt und hatte den Kopf hoch erhoben, fast ein wenig trotzig, als wolle sie ihre Unsicherheit verbergen. Ihr Herz schlug jetzt noch heftiger als vorhin in Lavender Manor ; sie meinte, es müsse auf ihrer Brust und an ihrem Hals sichtbar sein. Sie bemühte sich, nicht zu ungleichmäßig zu atmen, als sie sagte: »Nicolas! Du bist schon da!«
    Gleich darauf konnte sie förmlich spüren, wie er nur mühsam eine sarkastische Bemerkung zu ihrer scharfsinnigen Feststellung unterdrückte. Statt dessen entgegnete er ruhig: »Ja. Es hat mich selber überrascht. Drei Jahre zu früh.«

    »Warum?«
    »Warum ich den Tower jetzt schon verlassen durfte? Viel Glück und mein unbezwinglicher Charme.« Er lachte. »Ich habe mir in den vergangenen sieben Jahren Freunde geschaffen. Es fing beim untersten Wärter an und ging bis hinauf zum Festungskommandanten. Er setzte sich für mich ein ... und du siehst, ich habe gewonnen! Drei kostbare Jahre meines Lebens gewonnen!« Die Ironie in seiner Stimme verschwand. »Und sieben Jahre verloren«, setzte er bitter hinzu. Er trat von dem Fenster weg in die Mitte des Raumes, so daß Mary ihn nun endlich besser erkennen konnte. Im Zwielicht der einfallenden Sonne hatte sie kaum mehr sehen können als einen dunklen Schatten, aber nun war er dicht vor ihr.
    Sie schaute ihn an und dachte: Er sieht so elend aus!
    Sieben Jahre lang hatte sie versucht, sich vorzustellen, wie es sein mußte, wenn sie ihm zum ersten Mal wieder gegenüberstände. Sie hatte gedacht, daß er mager sein würde, abgezehrt und bleich, daß er rote, geschwollene Augen und einen struppigen, grauen Bart im Gesicht haben würde. Sie kannte das Verlies, in dem er hatte leben müssen, deshalb fiel es ihr nicht schwer, sich seine äußere Erscheinung auszumalen. Doch immer in ihren Gedanken war da das Leuchten in seinen Augen gewesen, das Lächeln seines Mundes, wenn er Marmalon sah.
    Es war stets das gleiche Bild gewesen: Er kam die breite Auffahrt entlang, erschöpft von dem weiten Weg, aber er atmete auf, als er den Schatten der großen Eichen erreichte. Sie lief ihm entgegen, schön und jung, ihr Haar wehte im Wind, sie streckte beide Arme aus, um ihn an sich zu ziehen, und hinter ihr stand das Haus, seine Fenster glänzten im Licht der Sonne, der Efeu leuchtete hell und grün, und rote und weiße Rosen blühten vor seinen Mauern. Nun aber hatte sich alles ganz anders ergeben. Sie war nicht zu Hause gewesen, als Nicolas kam, und auf einmal empfand sie dies als

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