Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
stand auf und strich ihr Kleid glatt.
»Nun ist es heraus«, sagte sie leise, »ich habe gewußt, daß es uns eines Tages einholen würde. Bluttaten, sagt man, kommen immer ans Licht. Und wir drei damals waren nicht die Richtigen, es geheimzuhalten. Wir sind zu verschieden, und es gab zuviel Eifersucht zwischen uns.«
»Da irren Sie sich«, entgegnete Anne. Auch sie hatte bisher nicht gesprochen, aber ihre Stimme klang sehr sicher und klar. Zuversicht erfüllte sie. Sie hatte gesiegt. Cathleen blieb bei ihr.
»Cathleen und ich waren nie verschieden. Und zwischen uns gab es auch keine Eifersucht. Nur Sie, Mary, haben immer gestört, von Anfang an. Verbrechen kann man allein begehen oder gemeinsam mit Menschen, die man liebt, aber nie mit Außenseitern. Und Sie waren der Außenseiter.«
»Ich habe nichts verraten, sondern Sie. Und außerdem: täuschen Sie sich bloß nicht! Was Sie heute so erzürnt, ist Sir Hadleigh — und dafür kann ich nichts. So oder so, sie hätte wieder geheiratet. Sie können sie nicht ewig behalten.«
Nun endlich hob auch Hadleigh den Kopf.
»Jetzt hören Sie endlich mit Ihren Streitereien auf!« fuhr er Mary und Anne an. »Erklären Sie mir lieber, was der ganze Unsinn soll! Sie müssen den Verstand verloren haben.«
»Keineswegs. Ich habe die Wahrheit gesagt. Lady Cathleen hat vor zehn Jahren ihren ersten Mann erschlagen.«
Hadleigh trat einen Schritt auf Anne zu und sah sie eindringlich und voll verhaltener Wut an. »Ich verlange die Wahrheit«, sagte er leise, »und ich schwöre Ihnen, Miss Brisbane, Sie werden es bitter bereuen, wenn Sie mich belügen!«
Er glaubt ihr, dachte Mary, er glaubt ihr längst, aber er will es nicht glauben. Lieber Himmel, ist er blaß!
Von draußen klang schrilles Gelächter, die Gäste schienen sich wunderbar zu amüsieren. Vor dem Fenster ließ die Sonne den ganzen Park hell aufleuchten, aber kein einziger Strahl verirrte sich durch die hohen Bogenfenster in die Bibliothek. Anne, deren höchstes Kapital immer ihre Haut gewesen war, sah in der Dämmerung aus wie eine Statue aus weißem Marmor. »In jener Nacht betrat Lord Cavendor sein Schlafzimmer«, begann sie, aber Mary fuhr dazwischen: »Nein! Er betrat Myladys Schlafzimmer!«
Anne sah sie verächtlich an. »Er war ihr Mann. Er hatte wohl das Recht, ihr Schlafzimmer zu betreten.«
»Weiter«, verlangte Hadleigh.
»Er betrat ihr Schlafzimmer. Lord Cavendor war Mitglied des Kronrates, daher mußte er häufig zu Versammlungen und kam abends spät nach Hause. Oder er ging zu Gesellschaften und Bällen am Hof, aber Mylady begleitete ihn nie dorthin. Sie konnte es nicht ertragen, mit ihm zusammen zu sein. «
»Ich will wissen, was in dieser Nacht geschah.«
»Nun, ich befand mich im Nebenraum, der jedoch durch eine Tür mit Myladys Schlafzimmer verbunden war. Diese Tür war nicht völlig verschlossen. Ich bekam daher alles mit, was geschah. Ich hörte, wie Cavendor kam und dachte: Mein Gott, arme Lady Cathleen! Sie ertrug ihn schon bei Tag nicht, aber am allerwenigsten bei Nacht. Sie haßt Männer. Cavendor hatte nicht viel Freude an ihr, und was er brauchte, holte er sich meist woanders, aber eines, was er unter allen Umständen wollte, konnte nur sie ihm geben: Einen legitimen Sohn. An jenem Abend müssen Cathleens Nerven versagt haben. Sie warnte ihn nicht einmal. Ich hörte, daß er eintrat und die Tür hinter sich schloß und in spöttischem Ton zu ihr sagte: ›Guten Abend, Lady Cavendor.‹ Sie erwiderte: ›Mach, daß du fortkommst!‹ Aber ehe er dieser Aufforderung hätte Folge leisten können, schlug sie zu. Ich vernahm den Schlag und dann das dumpfe Geräusch, mit dem Cavendor zu Boden fiel. Ich blieb einen Augenblick lang ganz entsetzt mitten in meinem Zimmer stehen, und dann schrie sie auch schon. ›Anne, Anne, komm schnell, er ist tot! Ich habe ihn umgebracht!‹ Ich lief hinüber. Er lag flach auf dem Teppich, aus seinem Kopf sickerte ein hauchdünner Faden Blut. Die
zarte Cathleen muß ihn an einer Stelle getroffen haben, deren Verletzung rasch zum Tode führt. Ich glaube, die eine Schläfe hat sie ihm zerschmettert.« Anne schluckte, für einen Moment selbst ganz im Bann dieser schaurigen Erinnerung. »Mary erschien dann, weil sie etwas gehört hatte. Sie und ich brachten die Leiche fort und legten sie ans Ufer der Themse. Lady Cathleen wäre dazu nicht mehr in der Lage gewesen.«
Hadleigh wandte sich langsam, wie betäubt, Mary zu.
»Ist das wahr?« fragte er. Mary strich
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