Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Brisbane?«
Anne verzog das Gesicht. »Zufrieden bin ich erst, wenn die Hochzeit abgesagt wird.«
»Seien Sie nicht so sicher, daß das geschieht.«
»Männer sind Feiglinge. Noch während er jetzt zu ihr eilt, wird er sich überlegen, ob er wirklich das Wagnis eingehen will, eine Frau zu heiraten, die ihren ersten Mann erschlagen hat.«
»Er ist vernünftig. Und er hat sehr genau begriffen, weshalb es zu dieser Tat gekommen ist. Wissen Sie, Miss Brisbane, Männer denken nie gern an die Vorgänger im Bett ihrer Frauen und wünschen sie ohnehin zum Teufel. Wenn diese Vorgänger sich dann auch noch benommen haben wie Cavendor, fühlen sich die Männer ohnedies herausgefordert, sie zu erschießen. Sir Hadleigh wird Lady Cathleens Tat vielleicht gar nicht so schlimm finden.«
»Wir werden sehen«, entgegnete Anne.
Abermals senkte sich lastende Stille über den Raum. Das Stimmengewirr draußen wurde unruhiger. Die Gäste fingen an sich zu wundern, weshalb die Trauung nicht endlich stattfand und warum Sir Hadleigh nicht zurückkam. Die ersten Gerüchte kursierten bereits; manche vermuteten, Lady Cathleen habe schreckliche Schulden, ihr Bräutigam habe das soeben erfahren und schrecke nun vor einer Heirat zurück. Andere, feuriger veranlagte Naturen, meinten, es sei urplötzlich ein Rivale aufgetaucht, der Sir Hadleigh zum Duell
um die Gunst der Braut aufgefordert habe. Irgend jemand erspähte die alte Lady Fairchild und erkundigte sich, ob etwas geschehen sei, aber sie konnte keine Antwort darauf geben. Sie stand hilflos und verwirrt in einem der Salons herum und fragte sich, warum es mit ihrer Tochter denn immer, in jeder Lebenslage, Schwierigkeiten gebe.
In der Bibliothek saßen Mary und Anne einander schweigend gegenüber. Mary beobachtete eine Schwalbe, die sich vor dem Fenster hinauf in den Himmel schwang. Anne starrte auf die ledergebundenen Bücherrücken in den Regalen, ohne die goldgeprägten Inschriften wahrzunehmen.
Schließlich sagte sie unvermittelt: »Es dauert zu lange. Seit wann ist er denn jetzt oben bei ihr?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Mary, »aber es dürfte fast Mittag sein. Die beiden scheinen sich viel zu sagen zu haben.«
»Was gibt es da zu sagen? Sie beschließen, nicht zu heiraten, und damit ist alles ausgestanden!« Anne hatte hektische rote Flecken im Gesicht bekommen. Mary sah sie beinahe mitleidig an.
»Ach, Miss Brisbane«, sagte sie leise, »warum hat das alles so kommen müssen?«
»Daran ist dieser Mann schuld! Diese Bestie, dieser Teufel! Weil er auf ihr Geld aus ist...«
»Reden Sie keinen Unsinn. Davon hat er weiß Gott selber genug. «
Anne sah sie feindselig an. Von draußen ertönten plötzlich laute Stimmen.
»Das ist Sir Hadleigh!« rief jemand. »Er geht in die Schloßkapelle. Ob es jetzt endlich anfängt?«
»Ich finde es nicht richtig, uns hier so lange herumstehen zu lassen !«
»Aber, meine Liebe, haben Sie Verständnis. Mancher Mann will es sich zweimal überlegen, ehe er diesen Schritt tut.«
Annes Augen wurden groß. »Was geschieht?« fragte sie flüsternd.
Mary zuckte mit den Schultern. »Offenbar ist Sir Hadleigh wieder hinuntergekommen.«
Anne öffnete die Tür und spähte hinaus.
»Ist er wirklich in die Kapelle gegangen? Was tut er da?«
»Das werden wir sehen.« Auch Mary trat jetzt in den Gang. Sie entdeckte Lady Fairchild, die mit steigender Verwirrung kämpfte. Alles ging durcheinander. Ihre schreckliche Tochter blamierte sie vor halb England, nachdem sie ihr ohnehin nichts als Kummer gemacht hatte. Lady Fairchild hatte die Hochzeitszeremonie von Anfang bis Ende sorgfältig geplant, und es kränkte sie zutiefst, daß es keinem Menschen einfiel, sich an ihre Vorstellungen zu halten. Sie hob den Blick hinauf zur Galerie und seufzte erschrocken. Cathleen erschien dort gerade am Arm ihres Vaters, hielt ihren Rock mit der einen Hand leicht gerafft und stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Sie trug ihr schönes hellgelbes Seidenkleid, das entgegen Lady Fairchilds Befürchtungen keine Flecken davongetragen hatte, und auf dem Kopf eine Haube von der gleichen Farbe, die mit blitzenden Diamantsplittern bestickt war. Die weitgeschnittenen Ärmel wurden am Handgelenk, an Ellbogen und Schultern von Rubinbroschen zusammengehalten, dazwischen sah die scharlachrote Seide des Unterkleides hervor. Über ihrer Brust kreuzten sich goldgefärbte Schnüre, die ebenfalls von Rubinen gehalten wurden. Eng um den Hals schloß sich ein Collier aus Perlen.
Das
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