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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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glaubte, sie hätte ihn betrogen, und noch vor sieben Jahren hätte er jetzt getobt vor Wut. Er hätte sie angeschrien und beschimpft, er hätte sich betrunken und zornbebend den Namen des anderen verlangt, um zu ihm gehen und ihm alle Knochen brechen zu können. Weshalb versuchte er das jetzt zu verbergen? Und wieso sollte sie sich bereitwillig verdächtigen lassen?
    »Ich habe dich nicht betrogen«, sagte sie ruhig und kalt, »wie kommst du dazu, mir das überhaupt zu unterstellen? Es gab einen Mann, der wollte mich, aber ich wollte ihn nicht. Ich wollte immer nur dich.«
    »Es ist ja schon gut.«
    »Er hat mir den Hof gemacht, aber ich habe darauf nicht geantwortet. « Gott verzeihe mir diese Lüge, dachte sie. Ehe Nicolas erneut etwas sagen konnte, fuhr sie fort: »Ich habe auf dich gewartet, die ganze Zeit. Jahr um Jahr, und ich habe...«
    »Die treue Penelope«, spottete er, »nun gut, du hast also alle Freier verjagt. Ich glaube es dir.«
    »Du mußt es mir auch glauben, denn es ist die Wahrheit. Aber jetzt, da ich dich sehe, frage ich mich, worauf ich eigentlich gewartet habe. Du kommst zurück und bist wie ein Fremder. Du hast mich nicht in die Arme genommen, und als du mich geküßt hast, ach... da küßt mich ja mein Kind zärtlicher! Und Marmalon nimmst du gar nicht wahr! Du willst nichts davon sehen. Es interessiert dich überhaupt nicht, ich glaube sogar fast, es stört dich!« Sie hielt inne, spürte, wie die Tränen in ihr aufstiegen und schluckte sie verbissen hinunter. Sie hatte bei ganz anderen Gelegenheiten nicht
geweint, Nicolas sollte sie schon gar nicht schluchzen sehen. Sie beobachtete, wie er sich in einen Sessel fallen ließ.
    »Ach, Mary«, sagte er leise, »es tut mir leid. Ich weiß, du bist enttäuscht. Du hast gedacht, ich komme zurück und strahle vor Glück, weil ich frei bin. Ich nehme dich in die Arme, und du zeigst mir Marmalon, Hand in Hand gehen wir über die Wiesen, deine Wiesen.«
    »Auch über deine, Nicolas, über unsere!« Mary lief zu ihm hin, kauerte sich zu seinen Füßen auf den Boden und umfaßte seine Hände, die dünn und kühl waren. »Ach, Nicolas, so hätte es sein sollen!«
    »Ich weiß. Aber es ist nicht so einfach für mich. Diese Jahre... sieben Jahre ... sieben mal dreihundertfünfundsechzig Tage, oh, Mary, du hast den Kerker gesehen, in dem sie mich eingesperrt haben! Kannst du dir vorstellen, wie es ist, sieben Jahre dort zu sein? In diesem fensterlosen, feuchten Verlies, fünf Schritte lang und drei Schritte breit, Ratten, Wasser, das von den Wänden tropft, und das ewige, monotone Geräusch, mit dem ein irre gewordener Gefangener in der Nachbarzelle seinen Kopf gegen die Steine schlägt. Es verfolgt mich bis in meine Träume. Und ja, manchmal konnte ich in die Wohnung des Kommandanten, er mochte mich, wir spielten Schach, und ich bekam Wein zu trinken und Braten zu essen, und das hat mir wohl das Leben gerettet. Aber danach war es jedesmal noch grauenhafter, dort hinunterzugehen. Ich hatte den Himmel gesehen und das Leben gespürt, und mußte doch in mein Grab zurück. Ich tat lustig und heiter, weil ich wußte, daß er mich so mochte und weil ich mir seine Sympathie erhalten mußte!« Mit einer übertriebenen Gebärde tat Nicolas so, als ziehe er seinen Hut und verneigte sich. »Bis zum nächsten Mal, Herr Kommandant! Ich ziehe mich jetzt in meine Gemächer zurück, um dort in aller Ruhe und Abgeschiedenheit eine unfehlbare Strategie auszubrüten, mit der ich Sie das nächste Mal schlagen kann!« Nicolas hustete. Es klang dumpf und rasselnd. »Weißt du, ich mußte diesen Schwachkopf natürlich immer gewinnen lassen, was eine Schmach war, denn er war ohnehin kein ebenbürtiger Gegner und so dumm, daß er nicht einmal merkte, wie genial meine Züge waren, mit denen ich ihm den Sieg zuspielte. Oh, Teufel, immerhin drei Jahre hat es mir erspart!«

    »Oh, Nicolas...« Angstvoll fing Mary an zu begreifen, was sie von Anfang an so verwirrt hatte. Nicolas war zwar körperlich ganz gesund, doch seine Seele schien sehr krank. Sein Herz schlug, sein Mund atmete, aber seine Augen blickten wie tot.
    Aber das ist ja viel schlimmer, dachte sie erschreckt, wäre er krank, ich wüßte schon, was ich tun müßte. Aber so, was mache ich mit ihm?
    »Nicolas«, sie umklammerte seine Hände fester, »es wird alles wieder gut werden. Du kannst den Tower vergessen. Du lebst jetzt hier, bei mir, in Marmalon. Du kannst jeden Tag die Sonne sehen, den Himmel und die Erde. Glaub

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