Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
und küßte beinahe flüchtig ihre Wange. »Ich habe mich wohl nicht ganz so benommen, wie du es erwartet hattest.«
Sie sah ihn unsicher an. »Sieben Jahre sind eine lange Zeit, Nicolas. Und jetzt kam alles so plötzlich. Vielleicht müssen wir uns da etwas fremd sein.«
»Sieben Jahre verändern Menschen auch sehr. Wir haben uns beide verändert, und es fällt uns vielleicht etwas schwer, einander wiederzuerkennen.«
»Ich habe mich nicht verändert«, protestierte Mary.
Nicolas betrachtete sie amüsiert. »Gar kein bißchen, wirklich?«
»Ach, du meinst das Kleid! Dieses alberne Kleid! Es war eigentlich viel zu teuer für mich. Aber bei diesem Fest heute waren die Gutsherren der ganzen Umgebung, und Will hat mir immer gesagt, es sei gar nicht schlecht, bei diesen Leuten ein bißchen anzugeben. Nur deshalb...«
» Verteidige dich doch nicht dauernd, Mary. Du siehst zauberhaft schön aus. Wie eine Fürstin...«
»Ja?« Sie schaute ihn mit soviel kindlicher Erwartung an, daß er lächeln mußte.
»Ja, wirklich. Du bist noch schöner als früher.«
Es irritierte Mary, diese Worte von ihm zu hören, denn sie vermißte zugleich jenen ersten verhaltenen Anflug von Leidenschaft in seiner Stimme, der früher immer mitgeschwungen war, wenn er so mit ihr gesprochen hatte. Sie forschte in seinem Gesicht, fand aber nicht, wonach sie suchte. Sie hob scheu die Hand, strich mit den Fingern über seine eingefallenen, blutleeren Wangen, über die Kieferknochen, die sich hart unter der Haut abzeichneten, über seine Lippen, die ihr überraschend weich vorkamen. Jede einzelne Linie dieses Gesichtes war ihr so vertraut, als sei kein Tag vergangen, seitdem sie es zuletzt gestreichelt hatte. Und es war ihr, als sei auch kein Tag vergangen, seitdem Nicolas’ Hände sie umfaßt hatten, sein
Mund sie geküßt, sein Atem sie warm und gierig gestreift hatte. Es hat sich nichts geändert, Nicolas, begreif es doch, dachte sie verzweifelt.
»Ich liebe dich so sehr, Nicolas«, sagte sie leise, »ich bin so froh, daß du wieder da bist.«
»Ich bin auch froh«, entgegnete Nicolas. Sie waren wieder vor Marys Zimmer angelangt und traten ein. Nicolas folgte Mary; es war, als habe sich das Bild verkehrt, daß sie zu Anfang geboten hatten. Nun stand er an die Tür gelehnt und beobachtete Mary, die sich in der Mitte des Zimmers befand. Durch das Fenster fiel das Licht der Mittagssonne und schien gerade auf Mary. Sie blickte an sich hinunter, dann streifte sie mit einer heftigen Handbewegung den Schmuck ab und begann, die Haken zu öffnen, die ihr Kleid verschlossen.
»Ich ziehe etwas anderes an«, sagte sie, »dieser alberne Fetzen... «
Es bereitete ihr einige Mühe, sich von der stoffreichen Robe zu befreien, ohne daß Dilys ihr half, aber endlich stand sie in ihren weißen Unterröcken und ihrem spitzenbesetzten, elfenbeinfarbenen Schnürmieder vor ihm. Sie war sich sehr wohl der Tatsache bewußt, daß Nicolas sie beobachtete und daß ihre bloßen Arme und Schultern weiß und rund in der Sonne glänzten. Sie wußte, daß ihre Gestalt so schmal war wie die eines ganz jungen Mädchens und daß sich das Leinen ihres Mieders eng um ihren schöngeformten Busen schloß. Sie zog die Ketten und Perlen aus ihren Haaren und schüttelte sie, bis ihr die rötlichen Locken offen zur Taille hinabfielen. Erwartungsvoll sah sie Nicolas an. Er hatte sie immer begehrt, vom ersten Augenblick an, da er sie sah. Er mußte es auch jetzt tun.
»Weiß Gott«, sagte er gelassen, »du bist die schönste Frau, die ich kenne, Mary. Bist du mir eigentlich treu gewesen all die Jahre?«
Die Frage kam so unerwartet und traf Mary so überraschend, daß sie spürte, wie ihr heiße Röte in die Wangen schoß. Entsetzt dachte sie: Er darf es nicht wissen. Es würde ein Leben lang zwischen uns stehen.
»Also nein«, sagte Nicolas, der ihr Erschrecken bemerkt hatte, »ich dachte es mir. Du bist zu hübsch, um treu zu sein, und andere
Männer haben auch Augen im Kopf. Ich hoffe, wen immer du gewählt hast, er war deiner würdig?«
Mary hielt seinem Blick stand.
»Es gab keinen Mann für mich, solange du fort warst«, sagte sie, »nie.«
»Bist du da so sicher? Meine sinnliche, kleine Mary! Ich kann mir kaum vorstellen, daß du es ausgehalten hast, Nacht für Nacht allein in deinem Bett zu liegen.«
Sein sarkastischer Ton reizte sie, besonders, weil sie dahinter seine Eifersucht witterte. Natürlich war Nicolas eifersüchtig, seit sie ihn kannte, wußte sie das. Er
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