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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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lieben «, sagte sie, mehr zu sich als zu Mary, deren Anwesenheit sie vergessen zu haben schien, »er wird nicht viel Freude mit ihr haben. Bis zu seinem Tod wird sie ihn hassen!«
    Verwundert erkannte Mary, daß Anne aus diesem unverhohlenen Abscheu Cathleens vor Cavendor Trost zu schöpfen schien. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie hatte den Eindruck, daß Anne es noch viel weniger schätzen würde, wenn Cathleen einem Mann versprochen wäre, den sie lieben könnte.
     
    Mary erfuhr nie, ob Bess tatsächlich in allen Punkten ihrer Voraussage recht behalten hatte und der Priester wirklich ohne zu zögern Lord Cavendor aufgesucht und ihm von dem Gespräch mit Lady
Cathleen berichtet hatte, aber die geplante Hochzeit wurde mit höchster Eile vorbereitet. Schneiderinnen aus London kamen ins Schloß, um das Kleid für die Braut anzufertigen, fremde Köche belagerten die Küche und trieben Gladys zur Verzweiflung, Gärtner machten sich im Park zu schaffen, und die Dienstboten mußten das ganze Haus putzen, vom großen Spiegelsaal bis hin zur kleinsten Abstellkammer. Die alte Lady Fairchild, eine zarte, weißhaarige Frau, der nichts so wichtig war wie Ehre und Ansehen ihrer Familie, fühlte sich bereits nach wenigen Tagen völlig überfordert und der Gedanke an die Schar auserlesener Gäste, die bald ihr Schloß belagern würde, brachte sie völlig durcheinander. Da Cathleen, die kein Wort mehr mit ihren Eltern sprach, sich weigerte, ihrer Mutter beizustehen, mußte sich meist Anne Brisbane bei ihr aufhalten und ihr Mut zusprechen. So konnte sie sich kaum noch um Mary kümmern, und die geriet sofort wieder in ihre alte Rolle als Küchenmädchen. Bess hatte sich von Anfang an über die Privilegierung der jüngeren Schwester geärgert und zahlte es ihr nun heim, indem sie sie schlimmer tyrannisierte als je zuvor. Mary war von früh bis spät auf den Beinen, wischte Böden auf, staubte Bücher ab, wusch Geschirr, schnitt Gemüse klein, putzte Fenster, Türen, Treppengeländer und Marmorsäulen und hatte ganze Berge von Kleidern und Wäsche zu säumen und zu besticken. Immer, wenn sie eine Arbeit beendet hatte und einen Moment lang ihre schmerzenden Glieder streckte oder erschöpft die Augen schloß, tauchte Bess wie ein allgegenwärtiges Gespenst neben ihr auf und fuhr sie an. Als Mary dagegen aufbegehrte, sagte sie nur:
    »Hör mir gut zu, wenn du frech wirst, dann erzähle ich Mutter, wie du dich benimmst und du sollst sehen, wie schnell du bessere Manieren lernst!«
    Diese Drohung schüchterte Mary ein, denn sie wußte, daß Lettice sie jederzeit daran hindern konnte, im Herrenhaus zu arbeiten.
    Sie begann in dieser Zeit, in den heißen Juliwochen und ersten Augusttagen des Jahres 1529, zu begreifen, warum es Menschen gab, die sich in einsamen Nächten in den dunklen Kammern ihrer Häuser aufhängten oder sich im Teich von Shadow’s Eyes ertränkten. Sie hatte nur acht Wochen lang mit Cathleen und Anne gelebt,
aber das reichte aus, um sie in die tiefste und schrecklichste Verzweiflung zu stürzen, wenn sie abends durch die schmale, niedrige Tür ihres Elternhauses treten mußte. Manchmal wünschte sie sich, stumpf, dumm und empfindungslos zu sein, weil sich dann alles leichter ertragen ließe. Sie wußte, daß sie den Dreck, die Armut und die drangvolle Enge aushalten konnte, aber nicht die grenzenlose Dummheit und Banalität ihres Vaters und ihres Bruders. Wenn sie die beiden abends in der Küche sitzen sah, so besoffen, daß sie kein verständliches Wort mehr hervorbringen konnten, daß sie einander nur noch ordinäre Laute ins Gesicht lallten und mit vor Begierde triefenden Augen Lettice und Bess fixierten, dann mußte sie sich beinahe übergeben vor Abscheu. Sie reagierte mit jedem Tag empfindlicher, und bemerkte dann auch noch, daß sie selber immer häufiger zum Anziehungspunkt für jenen widerlichen, gierigen Männerblick wurde, den sie so verabscheute. Sie hatte kaum registriert, wie sie sich veränderte, zumal es im Armenhaus von Shadow’s Eyes keinen Spiegel gab, aber plötzlich wurde ihr bewußt, daß ihre Kleider alle kürzer und enger geworden waren. Sie war größer und fülliger geworden, denn die Köchin Gladys, die selber keine Kinder hatte, aber einen ausgeprägten Mutterinstinkt besaß, fütterte das kleine Mädchen täglich mit Butter und Milch. Mary bekam eine gesunde Gesichtsfarbe, lebendige Augen, und ihr Haar glänzte rötlich in der Sonne. Sie würde wohl ebenso schön werden wie

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