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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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haben mir überhaupt nicht geholfen, sie haben zugesehen, wie...« Sie brach ab, ihr Gesicht wurde starr und weiß bei der Erinnerung an das Entsetzliche. Lettice starrte sie an.
    »Zugesehen wobei? Was haben die anderen denn getan?«
    »Sie haben mich festgehalten. Sie haben mich überall angefaßt, sie haben mich geküßt, alle diese dreckigen Kerle... oh, es war so schrecklich, es war so schrecklich!« Mary begann wieder zu schluchzen und am ganzen Körper zu zittern. Lettice packte sie an den Schultern und schüttelte sie.
    »War das alles?« fragte sie. »Mary, sonst nichts?«
    Mary schüttelte den Kopf.
    Lettice ließ sie los und sah sie verächtlich an. »Und deshalb
heulst du so«, sagte sie, »dir ist überhaupt nichts passiert und du läufst hier herum, als seist du einem Gespenst begegnet! Herrgott, was bist du für ein zickiges kleines Ding!«
    Mary sah voller Fassungslosigkeit zu ihr auf.
    Lettice betrachtete sie kalt.
    »Dein vornehmes Gehabe solltest du dir beizeiten abgewöhnen, Herzchen, sonst kommst du nicht weit. Die wollten ein bißchen Spaß haben. Laß sie doch. Das sind arme Kerle, jeder von ihnen genauso schwachsinnig und verkommen wie dein Vater, und alles was sie vom Leben wollen, ist Bier und hin und wieder eine Frau. Wenn du nur ein wenig so wärst wie Bess und ich, dann würdest du es genießen und wissen, daß du sie damit ganz herrlich in der Hand hast. Das sind arme Schweine, verstehst du?«
    Mary brachte kein Wort hervor. Lettice zuckte mit den Schultern.
    »Dir ist der vornehme Belville nicht bekommen«, sagte sie, »und das Leben im Herrenhaus schon gar nicht. Wie gut, daß das bald vorbei ist!«
    Mary brach abermals in Tränen aus und rutschte an der Wand entlang hinunter auf den Fußboden, weil sie sich vor Schmerzen nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
    »Aber ich kann dich nicht verstehen«, rief sie, »warum hältst du zu ihnen? Das hätten sie auch mit dir machen können! Sie nehmen sich, was sie wollen, nur weil sie in der Überzahl sind!«
    »So sind sie alle. Kann ich auch nicht ändern!«
    »Aber ich glaube es nicht. Ich glaube nicht, daß alle so sind. Frederic ist...«
    Die Haustür wurde aufgestoßen und Ambrose und Edward torkelten herein. Mary stieß einen langen, schrillen Schrei aus und Lettice schlug ihr mit aller Kraft ins Gesicht.
    »Hör endlich auf, du hysterische Kuh!« schrie sie. »O verflucht, Ambrose, laß bloß die Finger von ihr! Und du auch, Edward, und eure sauberen Freunde! Ich kann es hinterher ausbaden!«
    »Ach, die Kleine ist gleich losgelaufen und hat alles erzählt«, sagte Edward lauernd, »was bist du für eine widerliche Ratte, Mary! Nimm dich bloß in acht!«

    »Jetzt laß sie endlich«, befahl Lettice, »und du, Mary, mach, daß du endlich in dein Bett kommst!«
    Obwohl Mary vor Schmerzen kaum laufen konnte, schaffte sie es, sich die Treppe hinauf in ihre Kammer zu schleppen. Sie fiel auf ihr Bett, zog die Knie bis an ihr Kinn und hielt mit den Armen die Füße umschlungen. Sie zitterte zwar noch, aber ihre Tränen versiegten. Schlimmer noch als der Ekel war das Gefühl, von Lettice verraten und enttäuscht worden zu sein. Wenn sie jemals eine Verbündete gebraucht hätte, dann jetzt, aber bei ihrer Mutter hatte sie weder Schutz noch Trost gefunden. Noch Jahre später, als sie längst erwachsen geworden war und etwas nachsichtig über die Bedeutung lächelte, die sie diesem Ereignis beigemessen hatte, spürte sie den bitteren Schmerz über Lettices Gleichgültigkeit.
    Als sie am nächsten Morgen in der ersten Dämmerung mit Bess zusammen zum Herrenhaus ging, lästerte die ältere Schwester die ganze Zeit über das gestrige Erlebnis.
    »Als du im Bett warst, haben wir uns noch den ganzen Abend lang amüsiert«, berichtete sie mit einem harten Lachen, »du mußt dich ja fürchterlich angestellt haben! Edward sagt, er wüßte sowieso nicht, was die Kerle an dir gefunden haben. An dir ist doch wirklich überhaupt nichts dran.« Sie musterte Mary verächtlich. »Viel haben die davon bestimmt nicht gehabt!«
    Mary gab keine Antwort und Bess kicherte noch eine Weile vor sich hin, wobei Mary das eigenartige Gefühl hatte, Bess zeige einen Anflug von Eifersucht und Neid. Aber sie dachte nicht weiter darüber nach, denn ihr war ganz elend vor Kummer. Sie verbrachte den ganzen Tag wie in einem Traum, tat sorgfältig ihre Arbeit und konzentrierte sich darauf, als könne sie den Alptraum der Nacht und die Angst vor der Zukunft damit vergessen. Als

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