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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Lettice und Bess, und natürlich fiel das auch den Männern in Shadow’s Eyes auf. Und die Askew-Frauen waren dafür bekannt, daß sie einem Mann alles zu Gefallen taten, wenn er sich nur von ihrer Sinnlichkeit um den Verstand bringen ließ. Es gab eine ganze Anzahl Männer in Shadow’s Eyes, Freunde von Ambrose, die die Abende im Oakwood House verbrachten, Unmengen von Bier tranken, das dort frisch und schaumig in großen Holzschüsseln angeboten wurde, und dann durch die Gassen zogen, um jede Frau anzusprechen, die sie dort trafen. Der Schmied gehörte dazu, der Barbier, der Leintuchkrämer und der Metzger. Bisher hatte sich Mary nie von ihnen belästigt gefühlt, weil die Männer dem mageren Kind nicht die geringste Beachtung schenkten. Nun aber starrten sie hinter ihr her und riefen ihr obszöne Worte nach.

    An einem Abend Ende August, als sie besonders lange in Fernhill hatte arbeiten müssen, und erst in der Dunkelheit heimkehrte, traf sie vor Oakwood House auf eine Gruppe betrunkener Männer, die gerade schwankend die Treppe herunterkamen und auf unsicheren Beinen in der Gasse stehen blieben. Sie erkannte ihren Vater, der sich nur noch an eine Hauswand gelehnt im Gleichgewicht halten konnte, ihren Bruder, der laut gröhlend ein Lied sang, und eine ganze Anzahl jener Freunde, mit denen die beiden auch sonst immer herumzogen, tranken, stritten, fluchten, sich schlugen und spielten. Mary wollte blitzschnell vorbeihuschen, aber der Schmied hatte sie bereits erspäht und griff nach ihrem Arm. Er zerrte sie in den Schein der flackernden Laterne vor dem Wirtshaus und stieß einen triumphierenden Schrei aus.
    »He, seht mal, was ich gefangen habe!« rief er. »Ist das nicht ein süßes kleines Schätzchen?«
    »Zum Teufel, das ist doch die kleine Askew! Ambrose, wie viele von den hübschen Dingern hast du denn noch zu Hause sitzen?«
    Ambrose starrte Mary mit schwimmenden Augen an.
    »Das is’ Mary«, murmelte er schwerfällig, »Mary is’ doch nich’ hübsch. Dummes, kleines Luder, denkt sie ist vornehm!«
    »Ambrose, du hast keine Augen in deinem gottverdammten Kopf«, schrie der Metzger, der nicht einmal für den Gang ins Wirtshaus seine blutverschmierte Schürze abgebunden hatte, »das hier ist das niedlichste Herzchen, das mir seit langem zwischen die Finger gekommen ist! Darf man es anfassen?«
    Alle lachten kreischend. Mit einer heftigen Bewegung versuchte Mary sich loszureißen, aber die kräftige, verschwitzte Hand des Schmieds hielt sie eisern fest. Ihr wurde schlecht vor Angst, weil sie erkannte, daß sie weder von Ambrose noch von Edward Hilfe erwarten konnte, und einen Moment lang drehte sich alles vor ihren Augen. Mit aller Gewalt kämpfte sie gegen den Schwindel an, weil sie auf keinen Fall ohnmächtig und damit völlig wehrlos werden wollte. Sie sah, daß Edward häßlich grinste.
    »Faß sie nur an«, sagte er, »das hat sie gern! Das haben alle Weiber gern, auch wenn sie sich so verflucht zickig anstellen!«
    Wieder lachten alle und jubelten begeistert Zustimmung. Ambrose
schlug sich vor Entzücken immer wieder auf seinen dicken Bauch. In seinen Augen leuchtete Triumph, und Mary wußte, daß er jetzt Rache nahm an der kühlen Überlegenheit von Lettice, die ihn ein Leben lang zur Raserei gebracht hatte. Sie alle nahmen Rache, für jeden verachtungsvollen Blick, den ihnen je eine Frau zugeworfen hatte, für jede Zurückweisung, für jede Demütigung, die sie erlitten hatten, wenn sie dreckig und betrunken durch die Straßen von Shadow’s Eyes torkelten und die jungen Mädchen über sie kicherten. Mary sah ihre feisten, großporigen Gesichter auf einmal ganz dicht vor sich und roch den Bierdunst, der sie umgab. Harte, grobe Hände griffen an ihre Beine, andere preßten ihre Brüste. Mary wehrte sich aus Leibeskräften, aber es waren zu viele und sie waren zu stark. Der Metzger quetschte ihr mit geübtem Griff die Lippen auseinander, und zu ihrem furchtbaren Entsetzen stieß er ihr seine große, fette, glitschige Zunge in den Mund. Es wurde ihr so übel, daß sie meinte, jeden Augenblick sterben zu müssen, sie versuchte zu schreien, aber sie krächzte nur leise. Irgend jemand bog ihr den Arm so auf den Rücken, daß der Schmerz wie ein kurzer, heißer Strahl durch sie hindurchlief.
    »So ’n leckeres Täubchen«, murmelte eine Stimme. Eine Hand packte ihre Füße und zog sie weg, so daß sie hingefallen wäre, hätte der andere sie nicht noch an ihrem verdrehten Arm gehalten. Der Metzger hatte

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