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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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und betrachtete ihn nur hin und wieder verstohlen von der Seite. Mit seinem langen schwarzen Gewand und dem großen Kreuz aus reinem Gold um den Hals hatte er ihr immer Respekt eingeflößt, aber heute stellte sie fest, daß er blaß und sorgenvoll und gar nicht einschüchternd aussah. Offenbar grübelte er über irgend etwas nach und Mary ahnte sogar, worüber. Sie hatte Cathleen und Anne erst gestern wieder über den Scheidungsprozeß in London sprechen hören und Anne hatte gesagt, daß viele englische Priester beunruhigt auf eine Stellungnahme des Vatikans warteten, deren ständiges Ausbleiben sie für ein schlechtes Zeichen nahmen. Man fürchtete, Henry werde seinen Willen auch ohne Zustimmung des Papstes durchsetzen, und das konnte nur eine Kette unaufhörlicher Auseinandersetzungen nach sich ziehen.
     
    Cathleen eilte dem Prieser schon im Treppenhaus des Schlosses entgegen, sank vor ihm in die Knie und küßte den Ring an seiner Hand. Sie gab sich keine Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten.
    »Pater Joshua, Sie müssen mir helfen!« rief sie. »Niemand sonst kann mir jetzt noch helfen!«

    Und mir auch nicht, dachte Mary. Sie faltete die Hände, so fest, daß die Finger schmerzten.
    Wenn er jetzt hilft, dann werde ich nie wieder einen von Nans Geistern anrufen, schwor sie sich im stillen, und ich werde jeden Sonntag zur Beichte gehen!
    Mary durfte bei dem Gespräch zwischen Pater Joshua und Lady Cathleen nicht dabei sein, aber sie kannte Fernhill inzwischen gut genug, um sich zu helfen zu wissen. Sie schlüpfte in einen stillen, leeren Nebenraum, öffnete eines der hohen Flügelfenster einen Spalt breit und lehnte sich hinaus. Wenn sie angestrengt lauschte, konnte sie das Gespräch aus Cathleens Zimmer verstehen.
    »Kind, mit Ihren aufrührerischen Gedanken begehen Sie eine schwere Sünde«, sagte Pater Joshua, »Sie erheben sich nicht nur gegen Ihren Vater, was Ihnen nicht zusteht, nein, Sie erheben sich auch gegen Gott, indem Sie aufbegehren gegen Ihre Rolle als Frau, die nach Gottes Geboten die schweigende Untertanin des Mannes sein soll.«
    Cathleen erwiderte etwas, aber sie sprach so leise, daß Mary es nicht verstand. Ihr Herz schlug hart und schnell. Pater Joshua würde nicht helfen, nie im Leben würde er das tun. Sie lauschte wieder, auf Cathleens verzweifelte Stime, mit der sie den Priester beschwor, ihr dieses eine Mal zu helfen, sie wolle dann auch niemals wieder trotzig und anmaßend und aufsässig sein, aber was hier von ihr verlangt werde, sei mehr, als sie zu ertragen fähig sei, und Gott möge ihr vergeben, sie könne sich nicht fügen.
    »Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig«, sagte Pater Joshua ernst, »und denken Sie immer daran, daß Gott seine treuen Untertanen einst reich belohnen wird.«
    »Ja, wenn ich dann tot bin«, entgegnete Cathleen leidenschaftlich, »aber ich bin erst siebzehn und allzu schnell werde ich wohl nicht erlöst!«
    »Ich bin bestürzt über diese Reden. Ich habe Sie nie so erlebt, Cathleen. Wir sollten gemeinsam beten, damit Ihre Gedanken zur Ruhe kommen. «
    Der Priester begann mit halblauter Stimme das Ave Maria zu murmeln. Mary konnte nicht hören, ob Cathleen einstimmte. Sie
zuckte zusammen, als sich ihr plötzlich eine Hand auf die Schultern legte. Als sie sich umdrehte, sah sie Anne Brisbane, die lautlos das Zimmer betreten hatte.
    »Aber, Mary«, sagte sie, »du lauschst ja! Hast du nichts Besseres zu tun?«
    Mary biß sich auf die Lippen. Anne stand kühl und aufrecht wie stets vor ihr und auf den ersten Blick war ihrem glatten Gesicht keine Erregung anzusehen. Mary meinte jedoch verhaltene Wut und tiefe Traurigkeit in Annes Augen zu sehen. In dem sicheren Gefühl, eine Verbündete vor sich zu haben, gab sie sich keine Mühe mehr, ihre Trostlosigkeit zu verbergen und fragte mit zitternder Stimme:
    »Miss Brisbane, Lady Cathleen und Sie werden dann nach London gehen, nicht?«
    Anne zögerte einen Moment, hob in einer hilflosen Bewegung die Hände und ließ sie wieder sinken.
    »Ja, Mary«, antwortete sie dann, »wir gehen nach London. Lord Cavendor ist Mitglied im Geheimen Kronrat Seiner Majestät, und er kann deshalb nur in London leben. Das verstehst du doch?«
    Mary senkte den Kopf. Als sie wieder aufblickte, bemerkte sie voller Überraschung, daß sich der Ausdruck auf Anne Brisbanes Gesicht gewandelt hatte, ihr Mund war jetzt zu einem beinahe triumphierenden leisen Lächeln verzogen, in dem Bosheit und Schadenfreude mitschwangen.
    »Sie wird ihn niemals

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