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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Sex ohne Trauschein.«
    »O Mann, das weiß das ganze College, Lady Diane! Ich schwöre dir, mir geht es um das Essen und sonst nichts. Meinetwegen kannst du dir Eis über den Krabbencocktail streuen.« Er holt seine Sachen aus dem Spind und beginnt sich anzuziehen. »Also, was ist?«
    Sie folgt seinem Beispiel. »Auch wenn die Leute mich für prüde halten – ich finde es immer am besten, solche Dinge von Anfang an klarzustellen. Das gehört zu meiner Lebensphilosophie.«
    »Erzähl mir das beim Abendessen ...« Er zieht einen Kamm hervor und frisiert sich. »Jedenfalls siehst du super aus, wenn du auf feierlich machst.«
    Aus dem Lautsprecher ertönt eine Stimme: »Bitte, verlassen Sie jetzt den Raum!«
    Beim Hinausgehen begegnen sie zwei Sanitätern mit einer Tragbahre, und Jeff erkundigt sich, was geschehen ist.
    »Er ist tot«, sagt er kopfschüttelnd zu Di. »Don Pascal, wenn du ihn kennst. Totaler Streber. Kaum zu glauben, aber jemand hat ihn erschossen. Von hinten.«
    »Das darf nicht wahr sein! Weshalb denn?«
    »Wir werden es wohl nie erfahren ... Soll ich dich schon gegen sechs abholen? Es heißt, daß dieser Wechsel die ersten Tage todmüde macht.«
    »Einverstanden.«
     
    Und so begann das neue Drehbuch. Diesmal enthielt es vor dem College-Ball ein paar nichtssagende Verabredungen mit Jeffrey Bowe. Der Brief mit dem positiven Bescheid von Yale traf pünktlich ein.
    Diesmal macht ihr beim Abschlußball auch Jeffrey einen Heiratsantrag, so daß insgesamt vier Bewerber um ihre Hand anhalten, aber natürlich entscheidet sie sich für Bill Armitage. Und von da an rollt das Szenario gleich ab, unerbittlich, bis hin zu dem Telegramm, dem letzten Abend bei Miro's und den teuren Koffern. Der einzige Unterschied besteht darin, daß Bill ihr zum Abschied vier statt fünf Zwanzigdollarscheine zusteckt; vermutlich wird sich nie ergründen lassen, weshalb die logische Entwicklung ausgerechnet in diesem Punkt abweicht.
    Dann kommt das Martha Washington-Hotel und ihre Arbeit als Model und das Ende ihres ersten und einzigen Jobs und der Besuch im Swingles – und der sympathisch aussehende ältere Herr mit dem schwachen Akzent, der sich diesmal Nico nennt, und alles, was daraus folgt, bis hin zu den unsäglichen Monaten und Jahren auf der Straße. Und manchmal schlendert sie auf greifbar nahe Gestalten zu, Männer oder Frauen, die sich im grellen Licht der Laternen auf unerklärliche Weise in Schatten verwandeln, bis sie allmählich glaubt, daß ihre Sehkraft nachläßt. Und manchmal beobachtet sie einen jungen schwarzen Kater.
    Schließlich kommt die Regennacht, und ein Mann hastet vorüber, und als sie seinen Arm umklammert (sie kann sich kaum noch auf den Beinen halten), ruft er: »Diane! Diane Fortnum! O mein Gott!«
    Aber natürlich ist es nicht Don, der aus dem Dunkel auftaucht, um sie zu retten.
    Es ist Jeffrey Bowe, und er stützt sie und zerrt seine Brieftasche hervor und stopft alles – bis auf einen Geldschein, den er hastig einsteckt – in ihre Tasche, und dann ergreift er die Flucht, rennt in die Regennacht, als habe er in ein Hornissennest gefaßt.
    Und sie steht verwirrt da und starrt das Geld an, bis ihr Zuhälter, der die Szene beobachtet hat, kommt und es ihr abnimmt. Und weil sie wirklich elend aussieht, nimmt er sie mit in ein Billig-Restaurant, das rund um die Uhr geöffnet hat, und spendiert ihr einen Teller heiße Suppe.
    Nachdem er das Geld gezählt hat – fünfhundertdreißig Dollar –, bedrängt er sie: »Kennst du noch mehr solche bescheuerten Macker, Mädel? Warum rufst du so'n Typen nicht mal an?«
    »Nein ... nein ...«, murmelt sie. »Ich weiß die Nummer nicht ... nie ...« Und damit ist Jeffrey Bowe für immer aus ihrem Leben verschwunden.
    Aber für immer ist nicht lang, nicht in diesem Drehbuch.
    Ihr Husten wird immer schlimmer, und so liefert er sie in einem Hotel ab, dem er Kunden zubringt. Es ist eine Klitsche, in der man nichts klauen kann, weil alles festgenagelt ist, und in der man sein Bettzeug selber wäscht – in einem Münzautomaten ganz hinten in der Vorhalle. Nach einer Nacht muß sie gehen. Kaum zu glauben, daß eine halbe Portion wie sie einen so schrecklichen Lärm veranstaltet.
    Das Wetter draußen hat sich ein wenig gebessert; es regnet nicht mehr, und die letzten Schneereste sind geschmolzen. Sie wandert ziellos mit ihrem kleinen Bündel umher und kämpft vergeblich gegen ihre Kopfschmerzen an, bis sie die Barriere einer neuen Enklave erreicht. Die Gegend ist

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