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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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sie spürt, daß sie in einem anderen Raum ist. Nicht im Zeittunnel der Schule – sie hört das Wispern von Blättern und weiter weg, unverkennbar, das Rausehen des Meeres. Nicht das Surren des Ventilators. Und dann, laut wie eine Explosion, der Ruf eines Kardinalfinks. In Enklave 47 gibt es solche Vögel nicht.
    Sie zittert, und ihr Atem stockt. Kann es sein, daß sie in diesem Moment die eine oder andere Alternativzukunft durchwandert? Wenn sie jetzt aufstände, wäre sie dann an einem Ort wie Hyannisport? Aber sie treibt in die falsche Zeitrichtung, befindet sich auf dem Weg in ihre Jugend. Hätte sie während der ersten Zeitreise hier anhalten können, allein, ohne Don, der sie an seine Zukunft gebunden hat? Egal – sie sollte jetzt aus dem Leben scheiden. Plötzlich erscheint es ihr ungemein wichtig, an einem anderen Ort als in Enklave 47 zu sterben; an einem Ort, wo es Don nicht gibt.
    Die Hand mit der Pistole liegt unter der Bettdecke. In einer Welt, die losgerissen ist von jedem Anker, gelingt es ihr, die Waffe zu verlagern, an den Kopf zu heben. Jetzt sieht sie wieder Dons Rücken. So schmal, so jung ... Vollzieht er in diesem Moment den Zeitsprung? Oder sie? Sie entdeckt einen merkwürdigen Fleck genau zwischen seinen Schulterblättern. Sie konzentriert sich auf den Punkt.
    Es ist eine verkrustete Akne-Pustel.
    Sie weiß genau, daß dieses Ding vorher nicht da war. Ein Gefühl des Ekels erfaßt sie. Sie hat diese Akne gehaßt – haßt sie jetzt. Die Akne ist ein Symbol für ihre falsche, ihre furchtbare Zukunft in Enklave 47.
    Ein dunkler Schatten kriecht über seinen Rücken, bewegt sich auf die Akne-Pustel zu. Mein Gott, der Revolver! Die Waffe droht ihr zu entgleiten. Mühsamhebt sie den Lauf. Aber sie schafft es nicht, ihn die paar Zentimeter bis an die Schläfe zu führen. Sie richtet die Mündung gegen die verhaßte Akne-Pustel, keuchend, mit letzter Kraft. Drück ab! Du MUSST!
    Aber der Wechsel hat eingesetzt. Ob sie sich äußerlich verändert oder nicht, ist ihr egal. Aber von tief drinnen kehrt etwas zurück. Es ist nicht so, daß sie Angst hätte. Es macht ihr nichts aus, das kalte Metall an die Stirn zu setzen und den Abzug zu betätigen. Tatsächlich hat sie die Waffe bereits gespannt. Aber die Gefühle von einst überwältigen sie, Haß, Verachtung: Ihre kalten, oberflächlichen College-Queen-Manieren kehren zurück, gewinnen die Oberhand. Ihr Versuch, den Wechsel aufzuhalten, verzerrt die Dinge. Sie ist kein Ganzes mehr, sondern ein Puzzle aus Zeit Fragmenten.
    Und die Liebe hat sie verlassen, selbst die Erinnerung an diese Liebe. Irgendwie ist sie froh darüber – es war Liebe, die sie zugrunde gerichtet hat, seine Liebe zu ihr, die nach ihr griff und sie aus der Welt des Meeresrauschens und des Vogelgesangs zerrte. Ihre Liebe zu ihm, die sie hier festhielt – die Liebe ist irgendwie an allem schuld. Sie muß jetzt handeln, oder sie ist für immer verloren. Jetzt.
    Aber der schwankende Lauf erreicht ihre Schläfe nicht mehr. Was immer der tiefere Grund sein mag, sie zielt mit einer Grimasse des Hasses auf den eitrigen Punkt zwischen Dons Schulterblättern. Ein letztes krampfhaftes Aufbäumen: Sie drückt ab und trifft ihn ins Herz.
    Als sie zu sich kommt, liegt Jeffrey Bowe mit aufgestützten Ellbogen neben ihr und beobachtet einen Tumult am Tunneleingang.
    »W-was ist los?« fragt sie benommen und nicht sonderlich interessiert.
    »Ich weiß nicht. Irgendeiner kam tot zurück.«
    »Oh ...« Sie erinnert sich nur noch daran, daß sie hier neben ihm eingeschlafen war. Sie hat noch nie im Leben eine Pistole abgefeuert.
    »Wow!« Er streckt sich und tut den Unfall mit einem Achselzucken ab. »Das hier ist eindeutig besser! ... He, sag mal, kennst du eigentlich dieses schicke neue Restaurant – Miro's oder so? Wenn du Lust hast, lade ich dich heute abend zum Essen ein.«
    Sie hat noch ziemlich weiche Knie, als sie aufsteht und ihren Bademantel holt. Abendessen mit Jeffrey Bowe? Nun ja, warum nicht? Er lümmelt lässig auf dem Bett, immer noch nackt, und wirkt reichlich selbstgefällig. Eben als sie überlegt, ob sie Müdigkeit vorschützen soll, lacht er los und sagt: »Nun komm schon, Prinzessin, du willst doch nicht behaupten, daß du vor fünfundsiebzig Jahren ein Rendezvous für diesen Abend vereinbart hast!«
    Sein Humor wirkt ansteckend. »Na gut – meinetwegen. Ich habe Lust.« Dann wird sie ernst. »Aber eines sage ich dir gleich, Jeff. Sex ist bei mir nicht drin. Zumindest kein

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