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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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bedeutete, sich SEINEM Körper zu widmen – ach, mein Geliebter – und SEINER Geschichte gerecht zu werden. Dann blieben noch Ökonomische Geologie und Mineralische Sensorotik, die sie als verabscheuungswürdig ablehnte. Doch die Liste kam ihr nicht vollständig vor. Eine echte Frau sollte die nach außen gerichteten Interessen ihres Mannes verstehen und auf intelligente Weise auf SEIN Leben eingehen. Und außerdem war da noch SEINE langweilige Verwandtschaft, mit der sie sich höflichkeitshalber auch befassen mußte, das war sie IHM einfach schuldig. Nachweiterem Nachschlagen fügte sie hinzu:
    Astronomie I. Das Sonnensystem
    Astronomie V. Der heimische Sternhaufen, Ursprung und Zukunft. Grundkurs und kalkul. Analyse III (O Gott, gib mir Kraft!)
    Jetzt fühlte sie sich zufrieden. Als sie aus dem Flugzeug stieg, wurde sie in ihrem Gefühl bestätigt: Der Flughafen wurde durch den heftigsten Erdstoß seit fünf Jahren erschüttert. Sie wußte, daß sie auf der richtigen Fährte war.
    An der Universität begann die Zeit, die sie als ihre Phase der VORBEREITUNG zum Frausein betrachtete (sieben Dozenten der wissenschaftlichen Fakultät bekamen ein entschieden anderes Bild davon). Es war eine Episode der harten Arbeit und des Vergnügens.
    Welche Entdeckungen! SEINE Haut, so erfuhr sie, war der ihren ähnlich, ständig löste sie sich ab, bildete Falten, glättete sich wieder. Geologische Horste, Gräben und Klippen sowie andere Einzelheiten der Orogenese interessierten sie nicht besonders, und die Sache mit den Übereinanderlagerungen erwies sich als Enttäuschung. Doch der Reichtum SEINER Substanzen! Nachdem sich SEIN Leben für sie bis dahin nur in sanften Wäldern, Wiesen und Blumen ausgedrückt hatte, erfuhr sie jetzt die aufregende Realität mineralischer Magie. Über zweitausend verschiedene Arten, was für eine Vorstellung!
    Liebevoll umfaßten ihre Hände Sphäroliten und Amphiboliten. Voller Bewunderung vermaß sie die Schieferung und die komplizierte Symmetrie kristalliner Schönheit. Orthorhombische und triklinische Wunder! Sie erfuhr von der faszinierenden Sequenz der Temperaturselektion, vom kühlen Zeolith bis zum brennenden Feldspat und Olivin. Radioaktives Erz erregte sie – darin pochte SEIN Puls! Und ach, der Zauber der Muster, die die Diffraktometerstrahlen zeichneten!
    Gewöhnliche Kieselsteine waren nichts Langweiliges mehr, sondern ein persönlicher Körperpuder. Ihre Füße reagierten empfindsam, spürten die sexuelle Ausstrahlung SEINES Wesens; beim Einschlafen murmelte sie SEINE Entwicklungsstadien vor sich hin: Sedimentation ... Metamorphose ... Eruption ...
    Während sie sich voranarbeitete von Granit über Diorit zum Gabbrogestein, immer weiter in die Tiefe, spürte sie, daß sie SEINEN Mysterien immer näher kam. Lakkolith und Lopolith, flüsterte sie; Erzstock und - ach! – dunkler Pluton! Alle Formen eruptiver Intrusion! Eruptive Intrusion? Der galt ihre ganze Sehnsucht!
    Und das Großartigste von allem waren die unfaßbaren riesigen magmatischen Erhebungen, die als Batholithen bekannt waren. Sie verbrachte ihre ersten Herbstferien damit, über die düsteren Felsen des großen Idaho-Batholithen zu klettern, während sie die Nähe SEINER urtümlichen Kraft spürte und von IHM träumte.
    An dieser Stelle erscheint es angebracht, einmal einige klärende Worte über P.'s Vorstellung von der Natur ihres Geliebten, des Erdballs, zu verlieren. Sie dachte weder damals noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt an ihn als abgeflachte Kugel mit einem Äquatorradius von 6378388 m und einer Masse von 22 mal 10 20 Tonnen, mit einer mittleren Dichte von 5,514 g pro Kubikzentimeter. Dies waren nun mal seine Merkmale, wie auch all die anderen Dinge, über die sie in letzter Zeit so viel gelernt hatte, genau wie sie selbst die Merkmale ihrer persönlichen Masse und der Osmose aufwies. Doch sie beschrieben IHN nicht – ebensowenig, wie man sie als 24-Volt-Potential in 1300 Kubikzentimeter elektrochemikalischer Gallerte beschreiben konnte.
    Auszudrücken, was ER genau war, fand sie überflüssig. Wenn man sie dazu gedrängt hätte, hätte sie vielleicht (mit ihrem neuen Vokabular) etwas gemurmelt von >Mega-Energie-Konfiguration< oder womöglich >Gravitoinertial Strukturanz<. In Wahrheit war ER jedoch einfach ER, so wie sie SEIN war. Alles andere waren unwichtige Details. Bis zu ihrer letzten Stunde beherrschte ihr Denken das Bild der gewaltigen dunklen Gestalt eines schlafenden Mannes, der sich gegen nicht

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