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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Enttäuschung wußte das offenbar niemand. Den Bereich, der sein eigentliches Leben war, stellte man sich als verschiedene homogene Teigmassen vor, die sich nur durch ihre wahrscheinliche Elastizität unterschieden. Voller Ernst hörte sie sich die Theorien über tiefe, langsame Konvektionen und geheimnisvolle Strömungen an, die möglicherweise auf SEINE Ausstrahlung zurückzuführen waren. Für eine kurze Zeit war ihr Interesse durch SEINE launische Verschiebung der Pole in Anspruch genommen. O ja, er war ruhelos! Doch als sie über die Eigenschaften der superleitfähigen Massen, die als SEIN Herz angenommen wurden, etwas las, bedeutete das nichts für ihr eigenes Herz. Über Plasma im allgemeinen erfuhr sie mehr, als ihr lieb war, doch über SEIN Plasma so gut wie nichts. Was bedeutete es schon, daß sein Innerstes senkrechte S-Wellen aussandte, während beschleunigte P-Wellen Druck auf die Elemente ausübten?
    Sie kam dahinter, daß ihre Lehrer nichts von den eigentlichen Dingen wußten. Deren Interesse hörte dort auf, wo ihres begann. Sie blieb nur noch so lange, um ein Institut für Geomagnetismus zu stiften, dann wechselte sie zur Astronomie über.
    Und hier lief von Anfang an alles schief.
    Im nachhinein erschien ihr das als schlimme Zeit, eine Zeit der Prüfung. Es begann damit, daß ihr letzter Onkel, Hilliard, starb.
    Die Beerdigung fand in Winnetka statt, zwei Tage vor Semesterbeginn. P. hielt den dürren Arm ihres Vaters, bedrückt durch die jämmerliche menschliche Einsamkeit und Liebe. Ihr Vater war grau geworden, und die Lawinen von Reichtum, die über ihn gekommen waren, hatten ihn ermüdet. Anschließend speisten sie zusammen in der Prominentenlounge bei O'Hare. »Nur du und ich«, sagte ihr Vater düster. Er sagte es später noch einmal.
    »Armer Onkel Hilly.«
    »Ja, schrecklich. Entsetzlich. Von welchem Teufel war er nur besessen? Scheintod, Wiederbelebung, Kryo-Dingsbums. Es ist ein Wunder, daß der viele Wasserstoff nicht die ganze Stadt in die Luft gejagt hat.« Er schob den Butterteller weg. »Ich glaube nicht, daß das hier Butter ist ... Und der gute, alte Robbie, der die Pilze gegessen hat. Und George, den der Blitz erschlagen hat. Marion und Fred. Und Daphne – diese Flutwelle, eine vulkanische Springflut wahrscheinlich, nicht? Hurrikane, Erdbeben, Bergrutsche, Naturgewalten. Eine ganze Familie einfach ausgelöscht.«
    Er seufzte. P. ergriff seine Hand; sie wußte, daß er furchtbar unter dem Verlust ihrer Mutter litt.
    »Nur noch du und ich.« Nachdenklich und forschend sah er seine Tochter an. Seine lavendelfarbenen Augen waren kalt. Seine Vorfahren hatten schließlich die Dolmen von Stonehenge aufgestellt.
    »Ich werde alles auf dich überschreiben«, sagte er so laut und deutlich, daß die Anwälte, die am Nebentisch saßen, sich zu ihnen umdrehten. »Jeden Penny. Ich werde es dir unverzüglich vermachen.«
    »O Daddy! Ich werde mich um dich kümmern!« Er lächelte, ohne große Hoffnung. Sie drückte seine Hand und fragte sich, wieviel er wohl wußte.
    »Deine Mutter«, sagte er leise. »Wir haben dir nie etwas darüber erzählt ... Bevor du auf die Welt kamst, gebar sie ein Steinbaby.«
    »Ein was?«
    »So nennt man so etwas. Es ist nur so ein Name. Eigentlich ist es kein Baby. Es besteht nur aus Knochen, Zähnen und Haaren. Es mußte herausgeholt werden.«
    »Um Gottes willen, Daddy, wie schrecklich!«
    »Ja.« Er sah sie mit verzerrter Liebe an. »Sei auf der Hut, mein Schatz.« Ein Steinbaby? dachte P. Was hatte ER damit bezweckt?
    Als sie sich an der Tür umarmten, sagte er noch einmal laut: »Es wird alles auf dich überschrieben, mein Schatz. Ich will nichts davon behalten.«
    Doch wie es scheint, war er nicht schnell genug. Am nächsten Wochenende schlug beim fünfzehnten Loch des Golfplatzes von Ekwanok, Vermont, ein Meteorit ein und tötete ihn und ein zufällig vorbeihuschendes Eichhörnchen.
    Zum erstenmal war P. richtig traurig. SEINE Liebe war erbarmungslos! Metzelte alle anderen nieder! Sie weinte, auf neue Art ernüchtert; endlich hatte sie begriffen, daß das Ganze kein Kinderspiel war.
    Mit tiefem Ernst begann sie ihre neuen kosmologischen Studien. Es gefiel ihr, als sie erfuhr, daß die Kindheit des Erdballs, gleich ihrer eigenen, von einer Ammoniak-Atmosphäre geprägt gewesen war. SEINE größeren Verwandten erschienen ihr wie ein zweiter Satz von Onkeln – Jupiter sandte geheimnisvolle Signale aus, Saturn trug einen klotzigen Ring, Uranus reiste müßig auf

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