Die Sternenkrone
wie ich«, sagte sie traurig zu ihm.
Auf dem Weg zum Flughafen umschwirrte ein Schwarm von Schneegänsen den Wagen so lange, bis sie den Fahrer anwies zu halten. Sie umkreisten sie in Augenhöhe, wobei sie ihre drängenden Schreie ausstießen. Nach Norden! Auf nach Norden! Sie schüttelte den Kopf und setzte ihren Weg fort, um ins Flugzeug zu steigen, während ihr undeutlich bewußt wurde, daß sich die Nadel des Autokompasses wie wild drehte.
Als sie dann im Flugzeug saß, war endlich die Zeit des HANDELNS gekommen.
Ein diensteifriger junger Mann namens Amory war angereist, um sie nach Hause zu begleiten. Ihre Anwälte schienen der Meinung zu sein, daß das nötig war. Amory war ein harmloser junger Mann, besessen von der Lust am Telefonieren. Während er sie in der ersten Klasse unterbrachte, plapperte er über etwas, das er in den Nachrichten gehört hatte. Sie kuschelte sich in ihren Pelz und versuchte, eine Welt, die ihr nichts bedeutete, zu ertragen. Sie flogen durch die Dunkelheit. Vorn in der Pilotenkanzel entstand eine Unruhe, ein Ein und Ausgehen, beruhigende Worte, mit angespannter Stimme gesprochen, ertönten aus dem Lautsprecher. Amory rannte aufgeregt hin und her. P. blieb vollkommen unberührt von all dem.
Schließlich landete das Flugzeug. In Cleveland. Berichtigung: Es war nicht Cleveland, sondern irgendein seltsamer Ort mit dem Namen Val d'Or in Quebec. Dieser Umstand erregte ihre Aufmerksamkeit. Als die Tür geöffnet wurde, schickte sie Amory hinaus und wartete auf den Piloten.
»Captain, was geht hier vor?«
Er sah das blasse Luxusgeschöpf, das sich aus dem weichen Sessel erhob, scharf an. Unklugerweise sah er zu lange hin, sein Nervensystem geriet in Aufruhr. Während sie aus der Tür traten, rasselte er allerlei wirres Zeug herunter von verhexten Instrumenten, geisterhaften Signalen, unverständlichen Funksprüchen.
»Die verdammten Jetstreams sind verrückt geworden«, erklärte er ihr. »Wir befinden uns fünfhundert Meilen nördlich von Ohio. Verzeihen Sie. Sehen Sie sich das an!«
Sie standen oben auf der Gangway. In der Nacht über ihnen blitzte das Nordlicht flammend auf. Stränge aus grünem Feuer schlängelten sich zuckend und mit einem gespenstischen Strahlen über den Himmel, bündelten sich pfeilartig zu einer Flamme am schwarzen Horizont, zerfaserten und bildeten sich sofort wieder neu.
Sie beobachtete das Schauspiel gebannt und erkannte den Polarstern im Herzen des Pfeils. Nach Norden ...? Ein natürlicher Magnet zitterte in ihrer Seele, das verloren gewesene Gefühl einer Bindung erwachte in ihrem Mark. All die Signale der vergangenen Monate, denen sie keine Bedeutung beigemessen hatte, vermengten sich. Sie legte die mit einem Handschuh bekleidete Hand dem Piloten auf den Arm.
»Captain, ich werde hier aussteigen.« Sie lächelte ihn mit bebenden Lippen an. »Bitte ... überprüfen Sie noch einmal Ihre Instrumente. Ich glaube, der Ruf gilt mir.«
Amory fand sie in dem kleinen Büro der Chartergesellschaft, wo sie gerade ein Beaver-Wasserflugzeug nach Churchill über Moosonee mietete.
»Geh nur nach Hause, Amory. Ich brauch dich nicht mehr. Außerdem könnte es gefährlich werden.«
Das war ein Fehler; einer von Amorys Auftraggebern, mit denen er ständig in telefonischem Kontakt stand, war ihre Versicherungsgesellschaft. Als siemerkte, daß er sie nicht allein lassen würde, mietete sie statt der Beaver eine Otter und bat ihn, im Flughafen-Motel Zimmer für sie zu besorgen.
Ihre Beine zitterten so, daß sie kaum bis in ihre Unterkunft laufen konnte; sie sank in der Dunkelheit in einen Sessel und beobachtete, wie der schweigende Himmel brannte. Es war ein kaltes Feuer, weiß, rosafarben und grün; kosmische Schleier flossen zusammen und wieder auseinander und erneuerten fortwährend die Flamme des leuchtenden Pfeils, der in Richtung Norden deutete. ER ruft mich, endlich, flüsterte sie immer wieder. Endlich, endlich. Ihre Augenvergossen Sturzbäche von Tränen, all die versiegten Quellen ihres Körpers sprudelten wieder. Mein Geliebter ruft mich, ER braucht mich! Alt, krank, dem Tode nahe – was machte das schon? Ich bin Dein, ich komme, ich komme. Die ganze Nacht saß sie am Fenster.
In der Morgendämmerung bestiegen sie und Amory die Otter und brummten nach Norden. Was war mit Amory, fragte sie sich. War er ebenfalls erwünscht?
In Moosonee bekam sie die Antwort auf ihre Frage. Als er über die Landebahn zum nächsten Telefon rannte, schrie Amory plötzlich
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