Die Sternenkrone
damit ein wenig.
»Ich glaube, ich würde lieber sterben, als auf meine Liebe verzichten. Ich hätte dann nichts mehr, wofür es sich lohnte zu leben ... Habt ihr auch das Recht, eure Königin zu töten?« fragt sie in bitterem Tonfall.
Er schnappt nicht nach dem Köder, sondern sagt mit sanfter Stimme: »Nun gut, meine Liebe. Aber wir wollen zuerst einmal sehen, was die Zeit mit sich bringt. Du bist also einverstanden, daß die Eheschließung in einem Jahr stattfindet, wenn du sechzehn bist?«
»An meinem Geburtstag«, sagt sie mit fester Stimme. »Wenn es unbedingt so lange dauern muß.«
Das nächste Jahr verfliegt in einem Wirbel leidenschaftlicher Freuden – aller Freuden bis auf eine einzige, denn die kleine Königin meint es ernst. Hin und wieder kommt der alte Ratsherr vorbei und erkundigt sich formell nach dem Stand der Dinge.
»Du bist immer noch der Überzeugung, daß für dich ein Leben ohne den jungen Adolesco nicht in Frage kommt, meine Liebe?«
»Immer noch«, erwidert sie darauf; und manchmal lächelt sie.
Einige Mitglieder der Ratsversammlung finden Gelegenheit, verschiedene Probleme wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Natur mit ihrer Königin zu besprechen; es sind stets harmlose Dinge, lösbare Fragen, aber doch lehrsam für Amoretta, die stets angenommen hat, daß ihr Land sich irgendwie selbst regiert. Nun erkennt sie, daß es sich um einen stetigen Prozeß handelt, bei dem ein sanfter Druck hier, ein leises Zurückhalten dort notwendig ist, um die Nation in Gang zu halten. Die langfristige Vorausplanung beeindruckt sie, desgleichen die Klarsicht, mit der soziodemographische Veränderungen wahrzunehmen sind oder jegliche andere Lebensäußerungen – wie etwa das Eindringen politischer Themen in die Kunst der Weber einer bestimmten Provinz.
Am lehrreichsten jedoch erweist sich ein Staatsbesuch nach Pluvio-Acida, zu dem sie sich schwer – jedoch unauffällig – bewacht begibt.
»Dein Bruder ist ganz ... anders als du«, sagt sie zärtlich zu Adolesco.
»Slimie ist ein unangenehmer Mensch.«
»Ich glaube, er ist schlimmer als das. Er ist grausam, ich sehe es in seinen Augen.«
Da sieht sie etwas Neues in den Augen ihres Lieblings – ein Aufflackern von Zorn, vorbei, noch ehe man es sich versieht, aber unzweifelhaft vorhanden. Offenbar ist es durchaus in Ordnung, wenn er seinen Bruder einen unangenehmen Menschen nennt, aber es ist etwas ganz anderes, wenn man hört, wie die eigene Familie von Außenstehenden kritisiert wird.
Amoretta sagt nichts mehr, sondern besänftigt den Kratzer auf seinem Stolz mit einem Kuß.
»Ich liebe dich so sehr!«
»Und ich liebe dich. O mein Gott – laß uns einfach ausreißen!«
»Königinnen reißen nicht aus«, sagt sie und fügt hastig hinzu: »Und Könige auch nicht. Außerdem dauert es nur mehr einen Monat, mein Liebes, dreißig kurze Tage.«
»Dreißig Ewigkeiten.« Seine Augen verschlingen sie.
Und so dämmert schließlich der große Tag herauf, hell und klar und erwartungsvoll vibrierend.
Hell und klar ist er, weil Amoretta in der Mittsommernacht geboren wurde. Die Schüsse, die von Zeit zu Zeit hörbar werden, stammen von den pluvioacidanischen Grenzwachen in ihrem Versuch, die Horden ihrer Mitbrüder zurückzuhalten, die entlang der Grenze ihre Nachtlager aufgeschlagen haben und auf den Moment warten, in dem Pluvio-Acida und Ecologia Bella eins werden. In vorderster Reihe befindet sich ein Zug pluvioacidanischer Aristokratie, das Scheckbuch in Händen und fest entschlossen, unter den ersten zu sein, die ihre Wahl unter dem ecologiabellanischen Grundbesitz treffen.
Die knallenden Geräusche bei Sonnenaufgang stammen jedoch auch von einem Luftdruckgewehr im Park des Palastes (Luftdruckgewehre sind die einzigen Schußwaffen, die den Bürgern, ausgenommen das Militär, erlaubt sind). Prinz Adolesco, zur Jagd gekleidet, ballert auf ein Rudel fetter Hirsche und auf ein paar dralle Fasane, die sich alle in Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden Leckerbissens um ihn versammeln. Die Geschosse aus dem Luftdruckgewehr – alles inländische Produkte – stören sie kaum.
»Verflixt und zugenäht!« ruft der Prinz verärgert dem Himmel zu und läßt eine etwas kernigere Verwünschung folgen, als ein ganz besonders feister Hirsch versucht, dreist seine Nase in des Prinzen Jackentasche zu stecken. Er dämpft jedoch hastig sein Temperament, als Amoretta und eine Gruppe ihrer engsten Freundinnen in Sicht kommen, die gerade einen
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