Die Sternenkrone
»Es genügt mir, daß die Menschen unseres Landes, besonders die jüngeren, mit ihren Herzen auf deiner Seite stehen. Aber da gibt es noch eine andere Überlegung, und zwar im Hinblick auf deine Jugend.«
»Wie bitte? Willst du, daß ich warte, bis ich alt und runzlig bin?«
»Du würdest mit nun, sagen wir, sechzehn Jahren nur unwesentlich runzlig sein, denke ich«, lächelt der Ratsherr.
»Mit sechzehn? Das ist ja noch ein ganzes Jahr!«
»Exakt.« Er öffnet das Gesetzeswerk in seinen Händen. »>Für den Fall, daß der Herrscher sein sechzehntes Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist die Ratsversammlung berechtigt, ihre oder seine Eheschließung bis zu diesem Datum aufzuschieben, so nicht ein Notfall zu einer anderen Vorgangsweise zwingt ...< Es gibt noch keinen ... ahem ... Notfall, meine Liebe, oder?«
»Notfall ...?«
»Es ist noch kein ... ahem .., königlicher Nachkomme unterwegs?«
Die kleine Königin Amoretta richtet sich auf ihre volle Größe von einssechsundfünfzig auf. »Die Königin von Ecologia-Bella ist kein Tier!«
»Ausgezeichnet«, nickt der Ratsherr. Aber insgeheim wälzt er so seine Gedanken; natürlich brächte ein königlicher Bastard einige Schwierigkeiten mit sich, aber wenn man dies verhindern könnte, so gäbe es nichts Wirksameres, um die Glut der ersten Liebe abzukühlen, als ein kleines Weilchen der ungestörten Intimität zwischen den beiden Liebenden – das haben zumindest seine eigenen Erfahrungen ergeben.
Er räuspert sich. »Noch etwas steht da in unseren Gesetzen, mein Kind. Es tut mir leid, dir dies sagen zu müssen. Aber unsere Vorfahren, deren Vermächtnis unsere heutigen Gesetze sind, waren natürlich vertraut mit der Liebe und ihren verschlungenen Wegen. Für den Fall, daß der Monarch oder die Monarchin die Absicht erkennen läßt, sich mit einem Partner zu verehelichen, der die Unabhängigkeit von Ecologia-Bella in Gefahr bringen könnte, ist, so legten diese unsere Vorfahren fest, das Einverständnis sämtlicher Mitglieder der Ratsversammlung notwendig, bevor die Eheschließung stattfinden kann. Und die Feststellung, ob nun diese Unabhängigkeit Ecologia-Bellas in Gefahr ist oder nicht, liegt wiederum nicht beim Monarchen, sondern ebenfalls einzig und allein bei der Ratsversammlung.
Es ist meine traurige Pflicht, dich auf das Votum der Ratsversammlung hinzuweisen, daß der von dir ins Auge gefaßte Gefährte tatsächlich die Unabhängigkeit unseres Landes in Gefahr bringen könnte und daher die Empfehlung lautet, diese Eheschließung nicht stattfinden zu lassen.«
»Du meinst, daß ihr mir verbieten wollt – daß ihr mir verbieten könnt, meinen Adolesco zu heiraten?
Mir das Glück meines Lebens nehmen wollt?« Mit blitzenden Augen stampft die kleine Königin tatsächlich mit dem Fuß auf. »Niemals! Wer hat dieses Gesetz verfaßt? Ich werde es ändern.«
»Nicht so rasch, meine Liebe!« Der alte Ratsherr bleibt sitzen und hebt beruhigend die Hand. »Nicht so rasch! Ich habe nicht gesagt, daß wir die Heirat verbieten werden. Aber du mußt den Gedanken akzeptieren, daß wir es können. Du bist zwar die Königin, aber du kannst unser Grundgesetz nicht ändern.«
Amoretta läuft im Zimmer auf und ab.
»Ich weiß es!« bricht es aus ihr hervor. »Ich werde abdanken! Genau, ich werde einfach abdanken. Dann könnt ihr mir gar nichts mehr verbieten.«
»Ach, meine Liebe, auch wenn wir annehmen, daß der Prinz gewillt wäre, eine Bürgerliche zu ehelichen ...«
»Das würde er, dessen bin ich sicher!« ruft sie aus, und dann fügt sie hinzu, denn sie ist ein aufrichtiges Mädchen: »Ich bin mir dessen ziemlich sicher.« Doch Nachdenklichkeit legt sich über ihre Züge.
»Ja. Auch wenn wir dies annehmen, meine Liebe – würde das Volk von Ecologia-Bella es zulassen? Und wir wiederum können nicht zulassen, daß du etwas tust, was möglicherweise Unruhen nach sich ziehen könnte. Denk noch einmal nach. Die Menschen haben soeben deine geliebten Eltern verloren. Dein Bruder ist noch ein kleines Kind. Willst du dein Volk jetzt alleinlassen? Aus rein selbstsüchtigen Gründen?«
»Nun ... natürlich nicht.«
»So steht es einer Königin an!«
»Oh!« Amoretta läßt sich in einen Sessel fallen und ist plötzlich mehr Kind als Königin. »Wenn ich Adolesco nicht heiraten kann, will ich sterben. Da will ich lieber sterben!«
»Das meinst du wirklich? Komm, denk nach!« Sie denkt einen Augenblick nach. Dann sagt sie: »Ja«, und überrascht den Ratsherrn
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