Die Sternenkrone
wunderschönes Instrument, allerlei bekannte feierliche Musikstücke gespielt. Nun erklingen plötzlich einige wuchtige Akkorde, und alle Anwesenden schweigen. In die Stille erhebt sich die Melodie einer einzelnen Flöte von hoch oben – ein zärtlich verzauberndes und doch ernstes Solo, welches die Intimität und die tiefe Bedeutung des bevorstehenden Ereignisses andeuten soll. Der Flötenspieler ist Weltklasse; selbst die Besucher aus Pluvio-Acida hören auf zu nörgeln und unruhig umherzuwetzen und halten den Mund.
Daraufhin schreitet, gemäß der ecologiabellanischen Tradition, eine verschleierte Priesterin der Göttin der maßvollen Fruchtbarkeit zum blumenbekränzten Altar und singt mit herrlicher Stimme ein Gebet, in dem sie alle der Bedeutung des Tages Rechnung tragenden Segnungen auf das junge Paar herabfleht. Sobald sie ihren Gesang beendet hat, begibt sich der Erzbischof von ganz Ecologia-Bella an ihren Platz vor dem Altar.
In diesem Augenblick jedoch bemerkt die Priesterin, daß ein bestimmtes kleines grünes Licht inmitten der Blumen nicht aufleuchtet, was eine Verzögerung bedeutet. Routiniert aus langen Jahren der Erfahrung mit dem Umgang des Zeremoniells, fügt sie ihrem Gesang einen für alle Fälle vorbereiteten Schlußteil hinzu und danach eine Minute der schweigenden Meditation, und dann leuchtet das Licht auf. Sie dreht sich um und schreitet davon – und da kommt es zu einem außergewöhnlichen Vorfall, den wir von Anfang an verfolgen wollen, und dazu müssen wir zum Gefolge der königlichen Braut zurückkehren, welches wir in jenem Korridor der Kathedrale verlassen haben, der vom Hauptschiff durch eine schwere Doppeltür getrennt ist.
Das Gefolge zerstreut sich in diesem Korridor und zieht sich in die davon abgehenden kleinen Räume zurück, wo die unvermeidbaren Auffrischungsarbeiten erledigt werden, die nach einer langen ermüdenden Fahrt nun einmal notwendig sind. Der königlichen Familie von Pluvio-Acida werden allerlei Erfrischungen angeboten, welche, soviel man weiß, die Puerco-Volantes noch nie zurückgewiesen haben, und auch die Diener der anwesenden Herren, die Brautjungfern und Freundinnen der Braut erhalten allerlei Stärkungen.
Die Gestalten von Königin Amoretta und Prinz Adolesco jedoch verschwinden recht rasch hinter den Türen zweier verschiedener königlicher Gemächer, wo sie ungestört allein sein dürfen. Diese beiden Gemächer befinden sich in einem Teil des Sockels der großen Statue der Göttin, von wo aus – was den meisten Menschen unbekannt ist – Verbindungstüren zu dem noch geheimeren Gemach auf der anderen Seite des Sockels führen, von welchem wir bereits wissen.
So wird also die junge Dame, die in der Kutsche der Königin gekommen und im Gemach der Königin entschwunden ist, rasch der königlichen Krone und Robe und Verschleierung entledigt und von ihren Pflichten entbunden, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich zusammen mit den anderen Brautjungfern fröhlich zu vergnügen, die natürlich diesen Zuwachs gar nicht bemerken. Dann öffnet sich eine Geheimtür, und eine zarte kalte Gestalt wird hereingetragen. Nur Gräfin Verdant bleibt im Zimmer zurück, um den schmalen, vor kurzem noch so lebendigen kleinen Körper in – welche Ironie! – Hochzeitskleider zu gewanden.
Eine Tür weiter findet eine fröhlichere Verwandlung statt. Der Ersatzprinz tritt ein und entledigt sich mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit seines mit Straußenfedern überladenen Helms und Adolescos Schwert und seiner übrigen Ausstaffierung. Darunter ist er ein – im Grunde genommen schöner – junger Pferdeknecht aus den königlichen Stallungen, der das alles so recht genossen hat (die Federn einmal ausgenommen) – besonders den Ritt auf dem prachtvollen weißen Roß des Prinzen.
Als er sich zurückbegibt zu den anderen Pferdeknechten, tritt Prinz Adolesco selbst vom Geheimkorridor her eilig ein; dieser hat immer noch genug Geistesgegenwart, um seinem Double zu danken, und die beiden wären ganz sicher in eine angeregte Diskussion über die Fesselprobleme des Wallachs verfallen, wäre da nicht der alte Mann (den weder der Prinz noch irgend jemand anderer vorher oder nachher je gesehen hat), der hastig über die Schwelle tritt und den Prinz am Arm packt.
»Schnell! Du hast schon Verspätung! Deine Königin steht allein vor dem Altar, und auch der Erzbischof wartet schon!«
Der Unbekannte führt den Prinzen zum Hauptkorridor, der in seinen Augen verdächtig menschenleer wirkt,
Weitere Kostenlose Bücher