Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
Vom Netzwerk:
verlasse dich jetzt. Sammle dich und klopfe dann. Wenn dir nicht geantwortet wird – wenn dir nicht geantwortet wird! –, tritt ein. Sollte jedoch die Antwort >Nein< lauten, dann darfst du es keinesfalls wagen einzutreten; ruf mich, und ich werde dich holen. Aber ich bezweifle, daß dieses Mißgeschick sich ereignen könnte. Und nun adieu. Möge dir alle Glückseligkeit zuteil werden, die deine Liebe verdient.«
    Der Ratsherr nimmt den Umhang an sich und geht.
    Adolesco holt tief Luft und nähert sich der geheimnisvollen Tür. Als er klopft, klingt ihm das wie Gewehrfeuer, obwohl seine Hand so sanft war wie nur möglich. Unwillkürlich hält er den Atem an und horcht. Kein Geräusch – und ganz gewiß keine menschliche Stimme erklingt hinter der Tür.
    Mit zugeschnürter Kehle dreht er den Türknauf und öffnet.
    Das Zimmer vor seinen Augen liegt unter einem Nebel aus weichem Licht und warmen Farben. Er läßt den Blick rundum gleiten, bis er auf ein großes seidenes Bett fällt.
    Die Seide spannt sich straff um etwas, das er unschwer als den schmalen Körper eines jungen Mädchens erkennen kann, und unter dem hochgehaltenen oberen Ende der Decke, unter einem Schwall goldenen Haares, blicken die beiden größten Augen hervor, die er je in seinem Leben gesehen hat, und suchen die seinen. Ihre Blicke treffen sich. Zögernd tut er einen Schritt nach vor ... dann einen zweiten ... »Amy?«
     
    Aber es gibt keinerlei Ursache und Notwendigkeit, das Schauspiel weiter im Detail zu verfolgen, welches schließlich so alt ist wie die Menschheit – obwohl es selten noch mit solcher Hingabe gespielt worden ist.
    Es genüge der Hinweis, daß alles gut geht – sehr gut, selbst die Turbulenzen der Gefühle, als Amoretta gesteht, ihr eigenes Double zu sein.
    »Es geschah alles in der letzten Minute – die armekleine Königin war so hin und hergerissen zwischen ihrer Vorstellung von Anstand und Schicklichkeit und ihrer Liebe zu dir, daß ihr übel wurde – ich meine, richtig übel. Und da wußte sie, daß es nicht gutgehen würde, daß sie dir keine gute Partnerin abgeben würde. Doch die Vorstellung, dir >nein< zu sagen und zu sehen, wie du dich enttäuscht abwendest, konnte sie auch nicht ertragen. Also rief sie mich – das heißt eigentlich habe ich ihr den Vorschlag gemacht. Ich nehme diese Sache mit der Jungfräulichkeit nicht so ernst wie sie ... das heißt, ich bin schon noch Jungfrau ... das heißt ich war ...« Sie lacht so bezaubernd wie eine Amoretta, die fröhlicher ist als sonst, und sein Herz krampft sich zusammen.
    (Amoretta hingegen, der kleine Schalk, genießt ihre Rolle ganz außerordentlich!)
    »Aber ich habe es nur für sie getan, verstehst du? Ich habe meine Aufgabe immer ernst genommen, ich beobachte sie stets genau. Du wärst überrascht, wenn du wüßtest, was ich alles schon mitgemacht habe! Lange, öde Zeremonien natürlich – und auch ein paar Dinge ganz aus der Nähe: Niemand hat je Verdacht geschöpft. Ich war sogar zusammen mit ihr in deinem Land – hast du etwa bemerkt, daß ich es war, die neben dir auf der Tribüne stand, während unten die pluvioacidanische Armee vorbeizog, die Marine, die Luftwaffe, und wer weiß, was noch?«
    »Das warst du?« Der Sturm hat sich längst gelegt.
    »Na sicher! Sie wußte doch, daß es endlos dauern würde, verstehst du, und ich mag Militärparaden lieber als sie. Meine Güte, habt ihr eine riesige Armee! Und du warst so hübsch anzusehen!«
    »Auch du warst sehr schön ... Aber willst du damit sagen, daß du immer hier im Palast warst? Wieso habe ich dich noch nie getroffen?«
    »Oh, das hast du ja. Das war eine sehr spannende Sache für mich, glaub mir. Aber du hast mich kein zweites mal angesehen – das tut niemand. Ich habe dann nämlich anderes Haar und andere Augen, und all das und ein Stück rosa Pflaster auf dem Kinn verändern mein ganzes Gesicht. Oh, und dann noch ein paar Pölsterchen hier und da. Ich nenne das meine >Uniform B<. Wenn ich sie bin, dann ist es >Uniform A<.«
    Sein Blick gleitet zärtlich und erstaunt über ihre Gestalt. »Aber ihr seid so ähnlich ... es ist einfach unglaublich. Hör mal, und wie soll ich wissen, daß ihr beide mir keine Streiche mehr spielt?«
    »Oh, das könnten wir nicht! Jetzt nicht mehr. Aber ich verrate dir ein Geheimnis – sieh her!«
    Unbefangen dreht sie sich auf den Bauch, um ihm ihre pfirsichhäutige Kehrseite zuzuwenden. »Siehst du diesen großen braunen Fleck auf meiner linken ... ooh!« Plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher