Die Sternenkrone
dem Tod der Königin umgeschlagen hat und wilde Stürme über die Berge hinwegbrausen. Außerdem hat der Pilot den Festivitäten etwas vorgegriffen und ausgiebig gefeiert.
Als sich zeigt, daß über den Gipfeln der Berge Gewitter wüten und heftige Windböen auftreten, hat der Pilot jedoch immerhin die Geistesgegenwart, das Flugzeug rasch hochzuziehen über die dräuenden Wolken. Doch dann wird es von einem unvorstellbar heftigen Blitz zwischen den Wolken getroffen, der die elektrische Anlage lahmlegt, und da kann er sich einfach nicht entsinnen, welcher der sechshundertfünfundachtzig Schalter und Druckknöpfe seine Probleme löst; und so befiehlt er seinen königlichen Flugpassagieren den Ausstieg aus der Maschine.
Jedoch – o weh! – da zeigt es sich, daß die letzte in Pluvio-Acida überlebende Familie von Stachelschweinen (Flüchtlinge aus dem dortigen Zoo) ihr Nest in den königlichen Fallschirmen gebaut haben. Die tausendfach zerstochene Seide reißt in zweitausend Meter Höhe, und der arme König Puerco Volante straft seinen Namen Lügen: Er kann in keiner Weise volar – fliegen –, ebensowenig wie Königin Porcellana und Prinz Slimoldi.
Als Adolesco nach erquickender Reise in seiner Hauptstadt ankommt ist er also König von Pluvio Acida, und die nächsten Jahre halten ihn gewaltig in Trab.
Wenn die Jugend daher nach zuviel strebt im Leben und die Worte hört: »Denk an die Hochzeit des Prinzen!«, so kann man wohl die Antwort vernehmen: »Na und? Immerhin war er hinterher König!«
Worauf man nach eigenem Ermessen zu entgegnen hat.
Es gibt noch ein Nachspiel zu unserer Geschichte, von welchem möglicherweise kein heute lebender Mensch in Ecologia-Bella Kenntnis hat:
Einige Tage nach dem tragischen Tod von Königin Amoretta öffnet in einem alten winkeligen Kloster hoch oben in den Bergen ein braunhaariges Mädchenseine braunen Augen und spricht zum erstenmal, langsam und leise.
»Lebe ... ich?«
Der alte Mann, der sich über sie beugt, sagt: »Ja, du lebst. Königin Amoretta nicht.«
»Wie ... traurig.“
»Ja und nein. Möchtest du etwas trinken? Du warst einige Tage lang ohne Bewußtsein.«
»Ja ... ein Unfall?« Sie ist jetzt wacher geworden.
»Nein. Eine neuartige Injektionsflüssigkeit, welche wir für gewisse Notfälle testen. Einschließlich einer gelegentlichen Rettung in letzter Sekunde.«
»Oh ...« Sie lächelt und beschäftigt sich augenblicklich mit ihrer Suppe.
Von da an können wir die Geschichte weiterführen. Schwester Inconnue, wie sie genannt wird, ehe sie sich selbst einen Namen wählt, findet nach und nach ihr Gedächtnis wieder. Bis es soweit ist, studiert sie. Man vermittelt ihr eine genaue Kenntnis der Flora und Fauna von Ecologia-Bella. Die Nonnen gehören einemunterrichtenden Orden an, und ihre besten Schüler beenden ihre Studien an allen Universitäten rund um den Erdball, ehe sie zur Zier und zum Nutzen ihres Heimatlandes zurückkehren.
»Es scheint alles wie ein Traum«, sagt sie zu dem alten Ratsherrn bei einem seiner regelmäßigen Besuche. »Sehr traurig und einigermaßen dumm. Aber warum?« fragt sie ernsthaft. »Bitte sag es mir, warum? Konntet ihr das nicht – nun, anders bewerkstelligen?«
»Keine Chance«, antwortet Gräfin Verdant und beißt den Faden an ihrer Stickerei ab.
»Siehst du, meine Liebe«, erklärt der Ratsherr, »nach sehr eingehenden Überlegungen der ganzen Ratsversammlung kamen wir zu zwei Schlußfolgerungen. Die erste besagte, daß wir als ein kleines verwundbares Land es uns nicht leisten können, eine schöne jungfräuliche Königin zu haben. Du hast selbst gesehen, was da nicht alles beim Palast anlangte; es hätte kein Ende mehr genommen. Eifersüchteleien, Konflikte, allerlei Verwicklungen. Und früher oder später wäre die Unabhängigkeit des Landes in Gefahr gewesen. Was bei deinem Bruder wegfällt; wie mächtig die Frau auch sein mag, die er einmal in sein Haus bringt, so würde sie doch nie die Regierungsgewalt an sich reißen können. Die internationalen Thronfolgegesetze sind völlig überholt, das ist mir klar. Sie sind ein Verbrechen. Aber das können wir nicht ändern.
Und die zweite – und nicht weniger wichtige – Entdeckung war, daß irgendwo unter diesen goldenen Locken ein Hirn existiert, um das es jammerschade gewesen wäre. Eine Schande, es für die mehr oder weniger symbolischen Aktivitäten einer königlichen Gemahlin zu vergeuden. So wie es jetzt steht, kannst du – wenn du brav und fleißig
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