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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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erinnert sie sich daran, wer er ist und was geschehen ist, und der Pfirsich errötet sanft, ehe sie sich daranmacht, ihn zu verstecken.
    Er hält sie fest, lacht und sieht sie an. »Meinst du diesen winzig kleinen Schönheitsfleck, den ich kaum erkennen kann?«
    »Nun ja. Aber die Königin ist makellos, verstehst du? Das ist mein Erkennungszeichen. So kannst du uns immer auseinanderhalten.«
    »Das könnte sich bei offiziellen Gelegenheiten als ein echtes Problem erweisen!«
    Und zwischen Gekicher und spielerischem Geplänkel kommt es zur klassischen Wiederversöhnung. Die ganze Situation erscheint dem Prinzen nun weit eher prickelnd denn enttäuschend. Welcher überaus gesunde junge Mann faßt es wohl als Beleidigung auf, an seinem Hochzeitstag eine wunderschöne Reservejungfrau in die Geheimnisse der Liebe einweihen zu dürfen? Es gibt nichts, was ein üppiger Teller ecologiabellanischer Meeresfrüchte nicht in Ordnung bringen würde – und in weiser Voraussicht wurde ebendieser Teller bereitgestellt.
    Und so schläft er tief und sie beinahe, als sie spürt, wie die endgültige, tödliche Eiseskälte sie sanft überkommt. Sie hat nur noch die Kraft, ein Adieu zu flüstern, aber es ist zu leise, um ihn zu wecken. Erst als der Ratsherr mit seinem Morgenmantel sich über ihn beugt, schrickt Adolesco benommen hoch und kommt taumelnd auf die Beine – und der Ratsherr hätte den jungen Prinzen wegführen können, ohne daß ihm aufgefallen wäre, daß etwas nicht stimmt, hätte letzterer sich nicht niedergebeugt, um ihr einen Abschiedskuß zu geben.
    Da stößt ihn die Kühle ihrer Haut und die Reglosigkeit ihres Körpers ins volle, schreckliche Erwachen.
    »O mein Gott – was ... Hilfe!«
    »Hilfe ist schon da. Wir haben das immer befürchtet«, sagt der Ratsherr und zieht Adolesco an der Schulter zurück, so daß die beiden weißgekleideten Männer an das Mädchen herankommen können.
    »Sie hat einen Herzfehler. Aber dies sind unsere besten Kardiologen, sie werden alles in ihrer Macht Stehende für sie tun. Jetzt mußt du dich auf andere Dinge konzentrieren. Komm, überlaß diese charmante junge Dame ihren Ärzten – auf dich wartet eine Königin, um deine Ehefrau zu werden.«
    Widerwillig läßt sich der Prinz in ein anderes Gemach führen, wo man ihn badet und in seine schönste purpurne Uniform kleidet, und als er in das Schlafzimmer zurückkehren will, merkt er, daß die Tür verschlossen ist. Aber ein hoher Spiegel, der ihm sein prachtvolles Ebenbild in Rot und Gold zeigt, hebt seine Laune, und da er schließlich und endlich gar nichts tun kann, richtet er seine Gedanken auf jene Pflichten, die unmittelbar vor ihm liegen.
    Er hat sich, so scheint es, ein wenig verspätet.
    »Du mußt dich beeilen«, sagt der Ratsherr und führt ihn zu einem verwinkelten Gang. »Geh hier weiter, schnell! Am anderen Ende des Ganges erwarten dich Personen, die dir sagen werden, was du zu tun hast.«
    Und nun wird unsere einfache Geschichte kompliziert, denn sie läuft auf drei verschiedenen Schauplätzen zugleich ab. Wir wollen zuerst einen Blick auf das werfen, was sich gerade vor der Kathedrale abspielt:
    Die Hochzeitsparade vom Palast herüber ist unvergleichlich prachtvoll. Vornweg marschiert die Militärkapelle, und noch nie zuvor war Musik fröhlicher und stimmungsvoller, noch nie zuvor waren Uniformen glanzvoller und Musikinstrumente blitzblanker in den Strahlen einer sinkenden Sommersonne.
    Hinter der Musikkapelle kommt der Zug der Bürger von Ecologia-Bella, alle in ihrer Nationaltracht aus heller Seide, welche reich an Rüschen und Krausen und Litzen und Borten ist und das Auge eines jeden Betrachters erfreut: Es sind die Sieger der Wettkämpfe, die das ganze Jahr über abgehalten werden – Wettbewerbe im Holzfällen, im Gobelinsticken, im Schachspiel, in Leichtathletik, im Schweißen, in der Blumenzucht, im Rauchfangkehren, Computerbau und in allem möglichen anderen dazu. Sie alle schreiten fröhlich einher und streuen Blumen gemeinsam mit anderen, die keinerlei Wettbewerb gewonnen haben, die nur einfach liebenswert sind.
    Dahinter kommt ein herrlicher Festwagen, der in seiner verschwenderischen Blumenpracht, deren Duft die ganze Luft erfüllt, alles das darstellen soll, was edel und frei und schön ist.
    Dann beginnt die lange Reihe der Kutschen, alle beflaggt, alle gezogen von passenden Pferdegespannen – glänzend rotbraun und elfenbeinfarben und ebenholzschwarz und gefleckt und fuchsfarben. Die ersten Kutschen

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