Die Sternenlegion - Angriff der Cyborgs: Roman (German Edition)
Fülle von Empfindungen forderte Dr. Harmons Aufmerksamkeit, während der Ozean unter ihr dahinzog. Sie verspürte Erleichterung darüber, eine Weile der Nooni zu entkommen, aber eine bange Vorahnung bezüglich der Say’lynt und Trauer über Valeries Tod. Fähnrich Hajin, gesprächig wie immer, saß am Steuer des Shuttles und trug keine solche Last. Die Verwandlung vom rangniedrigsten Offizier an Bord der Nooni zum kommandieren Offizier des Shuttles machte ihn glücklich. »Captain! Schauen Sie! Das Wrack des hudathanischen Zerstörers!«
Harmon sah hin, und da stachen tatsächlich die unverkennbaren Umrisse eines hudathanischen Raumschiffs aus der schwachen Dünung, die seinen rostigen Rumpf umspülte.
Das war natürlich nicht das erste Mal, dass sie das Wrack gesehen hatte, aber bislang kannte sie nur Videoaufzeichnungen, und die Wirklichkeit war wesentlich beeindruckender. Dieses Wrack und ein paar einsame Gräber auf einer nahe gelegenen Insel waren die einzigen Spuren eines Krieges, der viele Planeten völlig verwüstet zurückgelassen hatte.
In den letzten Tagen des langen, blutigen Konflikts war die Imperiale Marine, wie sie damals hieß, in das System eingedrungen, hatte drei hudathanische Kriegsschiffe vorgefunden, die dort Wache hielten, und sie angegriffen. Keines war zur Kapitulation bereit gewesen, und dieses hier hatte den Fehler gemacht, die oberen Bereiche der Planetenatmosphäre zu passieren, wo das Gruppenbewusstsein der Say’lynt, die man unter dem Namen Floß Eins, Zwei und Drei kannte, die Kontrolle über die höheren Denkprozesse der Besatzung übernommen und den Zerstörer zum Absturz gebracht hatte.
Harmon hatte die Say’lynt studiert – oder jedenfalls das, was man über sie wusste –, und deshalb wusste sie auch, wie wichtig die Ökologie ihres Planeten für sie war. Und daher war ihr wohl bewusst, wie tapfer diese Tat gewesen war. Das Raumschiff der Aliens aus dem Himmel herunterzuziehen – das war, als würde man einen vergifteten Dolch nehmen und ihn sich selbst in die Brust stoßen. Es stand außer Zweifel, dass aus dem hudathanischen Kriegsschiff alle möglichen Toxine austraten und das auch noch in hunderten von Jahren tun würden. Toxine, die den Say’lynt Schaden zufügen konnten. Wenn das, was Chien-Chu suchte, also Mut war oder die Bereitschaft, sich selbst für ein größeres Ganzes zu opfern, dann standen die Say’lynt in dieser Beziehung auf derselben Stufe wie die höchstdekorierten Soldaten der Legion.
Etwas kitzelte Harmons Bewusstsein, oder wenigstens dachte sie das, aber ein Blick auf Hajin reichte aus, um festzustellen, dass er nichts dergleichen empfand. »Dort ist die Insel, Captain … soll ich landen?«
Harmon überlegte, ob sie vorher eine kurze Aufklärungsrunde in der Luft drehen sollte, entschied dann aber, dass das warten konnte, und nickte. »Ja, sicher, landen Sie. Ich würde mir gerne die Stelle anschauen, an der die Forschungsstation stand. Vielleicht kann ich dort etwas in Erfahrung bringen.« Der Befehl klang offiziell, aber Harmon wusste, dass die eigentliche Motivation dafür persönlicher Art war. Das war eine Gelegenheit, Valeries Grab zu sehen und mit der Vergangenheit Frieden zu schließen.
Die Insel wirkte wie aus einem Reiseprospekt. Harmon sah weißen Sand, einen weich geschwungenen Strand und eine kristallklare Lagune. Das Schiff wurde langsamer, drückte das Wasser unter sich weg und legte dann eine von Hajins Bilderbuchlandungen hin. Der Sand gab leicht nach, als der Shuttle auf seinen Kufen aufsetzte. Zweck der Mission war es, Kontakt zu den Say’lynt herzustellen und zu ergründen, ob sie bereit waren, in den bewaffneten Streitkräften der Konföderation zu dienen. Und deshalb traf Harmon alleine hier ein – wenn man einmal von Hajin absah –, trotz des entschiedenen Protests des Publicrelations-Spezialisten, den man mitgeschickt hatte, um sicherzustellen, dass jeder über einen Vertrag Bescheid wusste, der noch nicht ausgehandelt war.
Der Pilot saß noch am Steuer, war mit dem Abschluss der Landesequenzen beschäftigt, als die Wissenschaftlerin bereits durch die Schleuse gegangen war und hinuntersprang. Der Sand war glatt und abgesehen von den vom Wind hinterlassenen Wellenlinien völlig unberührt. Er gab unter ihren Sneakers nach, als sie zwischen Büscheln von Vegetation zu einer Lichtung ging.
Energiewaffen hatten die dicht beieinander stehenden vorgefertigten Hütten in eine Pfütze aus brüchigem, braunem Glas
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