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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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sich seit Tagen nicht mehr gewaschen. Doch unter den Schichten von kaltem Schweiß und schmutziger Kleidung lag ein anderer Geruch, der längst nicht so widerlich war, wie man es in dieser Situation annehmen sollte. Eine Tür wurde geöffnet, sie knarrte leicht in den Angeln und Estelle stellte sich eine schwere Holztür vor. Jemand murmelte einige Worte, dann ging es voran. Der Schutzzauber über der Schwelle traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Die Entführer fluchten. Sie mochten unsensible Kerle sein, aber diesen Abwehrzauber bemerkten selbst sie. Natürlich ohne zu ahnen, woran ihr Unbehagen lag. Sie hätte wetten können, dass der Sterbliche, der ihnen geöffnet hatte, immerhin so viel von der Materie verstand, dass er über die Macht verfügte, jemanden einzulassen oder eben auch nicht. Gerne hätte sie seine Gedanken erforscht, wagte aber nicht, ihre eignen Schilde zu diesem Zweck durchlässiger zu machen. Stattdessen nahm sie sich vor, genau auf jeden Richtungswechsel zu achten, um sich später besser orientieren zu können. Das war leichter gedacht, als getan, und sie verlor bald die Orientierung. Immerhin verrieten die Schritte der Männer interessante Dinge. Den Geräuschen nach zu urteilen durchquerten sie einen großen Raum, hoch und wahrscheinlich komplett gefliest, nein, eher wie aus Stein. Eine Halle? Hinter der nächsten Tür schienen Teppiche zu liegen, die Schritte klangen leiser, ein wenig auch, als gäbe es Möbel und Gardinen, die jedes Geräusch dämpften. War nicht auch von einem Comte die Rede gewesen? Womöglich befanden sie sich in einem Schloss. Abrupt blieb ihr Entführer stehen, stellte sie auf die Füße und begann, das Seil um ihre Knöchel zu lösen. Als er sie dabei kurz losließ, bemerkte Estelle, dass ihre Füße eingeschlafen waren. Sie konnte sich kaum aufrecht halten und es schmerzte, als das Blut in ihre Zehen zurückfloss. Neben sich hörte sie Selena wimmern und hätte den Scheißkerlen dafür am liebsten die Augen ausgekratzt. Doch da wurde sie schon vorwärts geschoben, und als sie taumelte, packte der Entführer grob ihren Arm. »Steh gefälligst gerade, für Krüppel gibt es kein Geld.«
    Der Knebel verhinderte eine passende Antwort.
    Eine kultivierte Stimme sagte: »Es wurde Zeit.« Die darin liegende Drohung ging auch an Estelle nicht spurlos vorüber. Wer immer da vor ihr stand, er kannte seine Macht genau. »Nehmt den beiden diese ekligen Lappen ab. Ich will sehen, was ihr mir da bringt.«
    Sie hätte sich gewünscht, so eingewickelt zu bleiben, wie sie war. Vorsichtshalber ließ sie ihre Augen geschlossen, denn hatten Entführungsopfer erst einmal die Täter und deren Hintermänner gesehen, so gab es normalerweise kein Entrinnen mehr.
    Als wüsste er, was in ihr vorging, lachte der Mann. »Sieh mich an!« Widerstrebend gehorchte sie, verängstigt von der Macht, die in seiner Stimme lag. Mit einem wie ihm verscherzte man es sich besser nicht. »Brav!« Er griff ihr Kinn und hob es an. Dann musterte er Selena und Estelle mit, wie es schien, Kennerblick. »Herzlich willkommen in unserem bescheidenen Château. Meine Damen, darf ich mich vorstellen: Comte de Blavet.« Er beugte sich über ihre Hand und deutete einen Handkuss an. Dann winkte er einen jungen Angestellten heran, der sich unauffällig im Hintergrund gehalten hatte und nun herbeieilte. »Du kannst sie auszahlen, doppelter Preis – plus Bonus. Das ist eine gelungene Überraschung. Gute Arbeit!«, wandte er sich an ihre Entführer, die damit entlassen waren und so schnell wie möglich das Weite suchten, während sie noch das Geld in ihre Taschen stopften. Estelle konnte es ihnen nicht verübeln. Der Mann vor ihr war kälter als flüssiger Stickstoff, aber genauso wenig greifbar. Sie tat alles, um ihre wahre Natur nicht zu verraten. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein besonders grausamer Sterblicher, und dennoch fühlte sie tief in ihm eine Macht brodeln, die nur darauf wartete, endlich an die Oberfläche zu gelangen. Für eine Sekunde glaubte sie, sich unter seinem prüfenden Blick verraten zu haben, sie hätte ihre Lider am liebsten fest zusammengekniffen. Stattdessen stellte sie sich die unendlichen Tiefen stürmischer Meere vor. »Du hast Mut, das macht dich noch wertvoller.« Nachdenklich legte er die Finger an sein Kinn. Die Rückkehr der Assistenten unterbrach seine Überlegungen und er wies sie an: »Hier haben wir unser perfektes Geschenk.« Er entließ sie mit einer Handbewegung. Die beiden Feen

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