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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Einlieferung sowie die Termine der jeweiligen Blutentnahmen, ganz oben leuchtete das heutige Datum und ein Name. Er lautete »Nekane«.
    »Es ist nichts frei.«
    »Das ist doch egal.« Der leutselige Wächter tippte eine Zahlenkombination in die vor ihm befindliche Tastatur und die Zellentür direkt neben ihm sprang auf. »Dieser Neuzugang hat sich bisher nicht ein einziges Mal bewegt. Blut gibt es auch nicht, wahrscheinlich ist das Vieh längst eingegangen.« Er knotete erst Selenas und dann Estelles Fesseln auf, stieß die Zwillinge in den Käfig, und ehe sie sich umdrehen konnten, fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.
    »Viel Spaß!« Mit einer obszönen Geste verschwanden die Kerkermeister. Bevor die Tür sich lautlos hinter ihnen schloss, erlosch das Licht. Der Raum war, vom schwachen Schein der Monitore abgesehen, unbeleuchtet. Ängstlich sah Estelle sich um. Die Dunkelheit verhüllte das sie umgebende Grauen nur unzureichend. Je länger sie hineinblickte, desto mehr gab die lichtlose Schwester des Tages Bilder frei, die Estelle gar nicht sehen mochte. Von irgendwoher kam ein schauerliches Stöhnen. Und weniger als eine Armlänge von ihnen entfernt lag »der Neuzugang«: eine Vampirin. Auch sie war mit einem Pflock im Herzen paralysiert worden. Leblos und bleich lag sie auf dem silbern schimmernden Tisch. Ihr bedauernswerter Zustand tat der tödlichen Aura, die sie umgab, keinen Abbruch. Estelle trat behutsam einen Schritt zurück.
    Hast du eine Ahnung, wo wir sind?
    Nein, schwindelte Estelle und griff nach Selenas Hand. Gemeinsam zogen sie sich in die hinterste Ecke ihres Gefängnisses zurück. Die gefangenen Vampire, und nicht zuletzt die Erwähnung eines Dämons, bestätigten ihre Vermutung, dass sie mitten in dem Entführungsfall gelandet waren, den Julen so dringend aufzuklären wünschte. Dennoch sah sie keinen Grund, ihre Schwester mit diesen Befürchtungen weiter zu beunruhigen. Hätte ich doch auf Julen, oder meinetwegen auch Asher, gewartet! Jetzt konnte sie nur hoffen, dass einer der beiden ihrer geschickt verwischten Spur folgen würde. Zum ersten Mal seit langer Zeit dachte sie an die Götter ihrer Mutter und versuchte sich im Zwiegespräch. Die stillen Gebete wurden von einem Geräusch unterbrochen. Jemand hatte die Eingangstür geöffnet und näherte sich mit einer Taschenlampe in der Hand. Unruhig zitterte der Lichtkegel über die Gitterstäbe, der heimliche Besucher leuchtete in jeden Käfig, als suche er etwas Bestimmtes. Das Licht streifte die Vampirin in ihrer Zelle und der Eindringling gab ein zufriedenes Grunzen von sich. Selena schien ihn für einen Retter zu halten und wollte sich schon bemerkbar machen, doch Estelle hielt sie mit festem Griff zurück. Still! Wir wissen nicht, wer das ist, warnte sie lautlos und legte einen magischen Schleier über ihre Schwester und sich selbst, in der Hoffnung, dass sie nicht entdeckt werden würden. Ein Fluchen war zu hören und erneut die leisen Pieptöne des elektronischen Schlosses, dann schwangen die Gitter ihrer Zelle auf. Der unheimliche Besucher näherte sich der leblosen Gefangenen und schien die in der Ecke kauernden Feen tatsächlich nicht wahrzunehmen.
    Sterblich, ein Mann! Estelle war sich ganz sicher. Das Blut rauschte in seinen Adern. Der Puls beschleunigte sich, bis das Herz wie die Hufschläge einer fliehenden Mustang-Herde klangen.
    Woher weißt du ...? Selenas Stimme in ihrem Kopf klang plötzlich aufgeregt. Oh, mein Gott, sieh nur!
    Bevor sie ihr antworten konnte, hatte der Mann im schwachen Licht der Taschenlampe begonnen, die Fußfesseln der Vampirin zu lösen. Estelle spürte Konzentration, gepaart mit Blutlust. Sollte er versuchen, sie zu befreien, konnte dies gut sein eigenes Ende bedeuten. Doch schnell sah sie, dass der Mann andere Absichten verfolgte. Regungslos beobachtete sie, wie er die langen Beine der Frau auseinanderspreizte und ihren Rock hochschob. Er wird doch nicht ...! Eine nahezu unheimliche Veränderung ging in diesem Moment vor sich und ließ die anderen Gefangenen reagieren. Die Luft war schwer von einem tödlichen Cocktail aus lauerndem Hass, der sich in scharf geschnittenen Wellen ausbreitete; so stark, dass die Feen sicher waren, ein Echo von den umliegenden Wänden zu hören. Der Sterbliche bemerkte von alldem nichts. Er schnalzte mit der Zunge und begann mit plumpen Fingern den schlanken Körper vor sich zu erkunden.
    Tu doch irgendetwas! Selenas Stimme war tränenerstickt und Estelle beschloss, mentalen

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