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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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mit Wasser volllaufen, den sie Estelle anschließend in die Hand drückte. »Trink, das wird dir gut tun!«
    »Was ist mit dir?« Selena kam besorgt näher.
    Doch anstelle ihrer Schwester antwortete Manon grimmig: »Sieht so aus, als hätte sich jemand nicht zurückhalten können, sie hat einen großen Flüssigkeitsverlust auszugleichen.«
    »Du meinst, Asher hat sie gebissen?«
    »Ach, du kennst ihn?« Manon ließ sich auf das Bett fallen. »Ich bin überzeugt davon. Dabei hielt ich ihn für vertrauenswürdig. Offenbar habe ich mich getäuscht. Der Kerl hat keinen Funken Verantwortungsgefühl im Leib.«
    »Damit kannst du recht haben.« Estelle fühlte sich schwach und unglücklich bei dem Gedanken an Ashers Verrat. Sie trank den Becher aus und schloss ihre Augen, weil sich alles um sie drehte.
    Selena sah aus, als wollte sie widersprechen. Doch dann schlug sie nur vor: »Ein Spaziergang wird dir bestimmt guttun. Frische Luft ist nie verkehrt.«
    Kurz darauf spazierten sie zu dritt einen Weg entlang, der direkt in den verwunschenen Wald von Brocéliande führte.
    Estelle fühlte sich tatsächlich besser, nachdem sie einige Meter gegangen war, obwohl selbst das wenige Licht, das sich durch die dunklen Wolken quälte, ihr schon zu hell erschien. Aber für diese Fälle hatte sie seit längerem immer eine Sonnenbrille dabei. Manon wusste von ihren empfindlichen Augen und Selena schwieg dazu. Was die wenigen Spaziergänger dachten, die ihnen entgegenkamen, war ihr herzlich egal. Wahrscheinlich hielten sie Estelle für eine überspannte Pariserin. »So, liebes Schwesterherz, nun, da wir dich gefunden haben, wirst du uns genau erzählen, was eigentlich passiert ist.«
    Selena lachte. »Zuerst einmal: Ich habe euch gefunden.«
    »Stimmt«, mischte sich Manon ein. »Und wie genau hast du das angestellt?«
    »Es gibt nicht viele Hotels in der Gegend und die schönsten waren wegen der nahen Feiertage schon ausgebucht. Also habe ich das Zimmer abgesagt, das ich für Erik und mich gebucht hatte, und es gleich unter neuem Namen reserviert. Ein bisschen nachhelfen musste ich schon, damit der Trick nicht auffliegt, aber Erik spricht kein Französisch und die Leute im Hotel kaum eine andere Sprache. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hatte ich gleich einen Verdacht, und dann habe ich Estelle plötzlich gespürt, als ob sie direkt neben mir stehen würde.« Sie sah ihre Schwester prüfend an. »Irgendetwas an dir ist anders, ich weiß nicht, was es ist, aber ich komm noch drauf!«
    »Wahrscheinlich ist es die neue Frisur!« Eine Menge mehr als mein Haarschnitt hat sich geändert, dachte Estelle. Sie hatte sich unsterblich verliebt und war bitter enttäuscht worden. Kein Wunder, dass ihre Schwester eine Veränderung spürte, sie würde nie mehr dieselbe sein, die sie noch vor wenigen Tagen gewesen war. Um von sich und ihrem Kummer abzulenken, fragte sie: »Und warum bist du ohne Erik verreist? Er hat mir erzählt, ihr habt euch gestritten.«
    »Ach, tatsächlich? Ich wundere mich, dass er überhaupt noch weiß, dass es mich gibt.« Tränen liefen über Selenas Gesicht. »Er hat in letzter Zeit immer mehr zu tun, wir verbringen kaum noch Zeit miteinander. Deshalb habe ich mich total auf den gemeinsamen Urlaub gefreut und dachte, ihm ginge es genauso. Und dann sagt er in letzter Minute ab.«
    Estelle konnte ihren Schmerz fühlen, als sei es der eigene. Sie legte ihren Arm um Selenas Schultern, der ungewöhnliche Duft der Schwester füllte ihre Lungen und sie rückte näher.
    Derweil hatten die drei den Wald erreicht, bereits seit geraumer Zeit war ihnen niemand mehr begegnet. Estelle sah sich um. Uralte Bäume streckten ihre kahlen Äste wie Finger in den bleigrauen Himmel. Kein Vogel sang und eine eigentümlich Stille lag über der Landschaft. »Warum wolltest du ausgerechnet zu dieser Jahreszeit hierher fahren? Ich kann nichts Feenhaftes an diesem Urwald finden; ehrlich gesagt, macht er mir sogar ein wenig Angst.«
    Selena blieb überrascht stehen und Manon sah sie ebenfalls eigenartig an. »Kannst du wirklich nichts spüren?«
    »Doch, mit jedem Schritt, den ich weitergehe, wird mir unheimlicher zumute. Wir sind hier nicht willkommen!«
    »Im Gegenteil! Es ist, als würde ich nach langer Zeit endlich nach Hause kommen.« Selena hob ihre Arme in den Himmel und drehte sich um die eigene Achse und Manon zeigte auf eine Lichtung unweit des Weges. »Seht nur, wie wunderschön!«
    Estelle sah den beiden fassungslos hinterher. Sie liefen

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