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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Zwischenwelt in sein Hotelzimmer geeilt.
    Sterblichen, also auch Feentöchtern, die wie Estelle ihren Platz in der magischen Welt noch nicht eingenommen hatten, war der Zutritt zu den luxuriösen Quartieren im Souterrain strengstens untersagt. Diese Regel galt in allen Häusern der weltweit vertretenen Hotelkette, die einem einflussreichen Ratsmitglied gehörte, und sie diente keineswegs nur dem Wohl der vorwiegend nachtaktiven Gäste, von denen die meisten besonderen Wert auf ihren UV-Licht freien Schlaf legten. Kein Hotelmanager der Welt konnte riskieren, dass seine Gäste einander aßen, aussaugten oder sonst wie beschädigten. Julen, der ohnehin nicht viel von Regeln hielt, setzte sich über das Verbot hinweg, denn hier ging es um ihre Sicherheit und diese konnte er nur in seinem Quartier garantieren – zumindest bis zum Sonnenaufgang.
    »Ist das dein Zimmer?« Ihre Stimme klang unsicher. »Natürlich, was sonst. Entschuldige, ich bin ...«, nervös strich sie eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah so verletzlich aus, dass es dem Vampir, der eben noch eiskalt zwei Artgenossen hingerichtet hatte, das Herz abschnürte.
    Er setzte sich zu ihr aufs Sofa. »Du bist verwirrt, das ist nur natürlich nach einem Überfall«, versuchte er sie zu beruhigen. »Was du da glaubst gesehen zu haben ...« Weiter kam er nicht.
    »Komm mir nicht so! Ich weiß sehr genau, was passiert ist. Du hast den einen Vampir geköpft – nicht, dass er es nicht verdient hätte –, und den anderen hast du in diese Toreinfahrt gezerrt. Dort war er aber nicht mehr, als ich nachgesehen habe. Und dann drehe ich mich um und der Kopflose ist auch verschwunden, als ob es nie einen Überfall gegeben hätte!« Ihre Unterlippe zitterte. »Meine Güte Julen, uns hat eine Horde blutrünstiger Ungeheuer überfallen und du sitzt hier, als kämen wir von einem Spaziergang zurück.«
    Julen schloss für einen Augenblick mutlos die Augen. Ihm war klar, dass Leugnen nichts helfen würde. »Drei. Es waren nur drei Streuner und ich habe keine Ahnung, was in sie gefahren ist, sich so aufzuführen!«
    »Vampire sind Monster!«
    Dazu hätte er einiges anzumerken gehabt, aber er nickte nur. »Vielleicht, aber es gibt Regeln, an die auch sie sich zu halten haben, und dazu gehört, keine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erregen.«
    »Oder jemanden zu beißen!« Entsetzt zeigte sie auf seinen blutigen Ärmel und Julen verwünschte seine Nachlässigkeit. »Du bist verletzt! Wirst du jetzt auch ...?« Ihre Stimme brach.
    »Keine Sorge, das ist nur ein Kratzer. So einfach wird niemand transformiert, glaub mir.«
    Nichtsdestotrotz tat er gut daran, die Wunde zu reinigen, bevor sie sich endgültig schloss. Wer wusste schon, welche Scheußlichkeiten so ein Streuner in seinem Maul beherbergte. Julen hatte keine Lust, die Wunde später erneut aufreißen zu müssen, nur um irgendwelche unappetitlichen Schmutzpartikel aus seiner Haut zu entfernen. Die Organismen älterer Dunkelelfen tolerierten keine Fremdkörper, eine Pistolenkugel oder eine abgebrochene Pfeilspitze beispielsweise wurden regelrecht ausgeschieden, bevor sich die Wunde, die sie gerissen hatten, wieder schloss. Deshalb gehörte das Pfählen auch weitgehend ins Reich der Legenden, sogar geschaffene Vampire konnten einen derartigen Anschlag überleben, sofern sie nicht dem Tageslicht ausgesetzt wurden, während ihr Körper sich selbst heilte. In seinem Alter aber hätte er sich sogar tätowieren lassen können, nur um am nächsten Abend wieder mit unversehrter Haut zu erwachen.
    »Richtig, ich sollte die Stelle desinfizieren!« Damit nahm er ein Hemd aus dem Schrank, verschwand im Bad und schloss die Tür hinter sich. Es war wirklich nicht notwendig, dass die Fee die tiefe Wunde sah, die ihm der Streuner gerissen hatte. Sie ging bis auf den Knochen, und es war nicht so, als ob er keinen Schmerz verspürte, im Gegenteil. Alle Sinne eines Vampirs waren schärfer als die eines Normalsterblichen, aber über die Jahre hatte er gelernt, dieses Gefühl ebenso vollständig auszublenden wie die anderen Reize in seiner Umgebung, denen er ständig ausgesetzt war. Nun gut, von jeder Regel gab es Ausnahmen und Estelles erotische Anziehungskraft gehörte offenbar dazu. Er ließ kaltes Wasser über seinen Unterarm laufen und beobachtete dabei, wie sich die Haut über der Verletzung allmählich schloss. Dieses Schauspiel faszinierte ihn immer wieder aufs Neue und er wusste, dass auch bald die darunterliegenden Gefäße

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