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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Papiertaschentuch aufzunehmen. »Ich versteh ja, dass du bei diesem herrlichen Wetter keine Lust hast, in einer Bibliothek zu sitzen! Meinetwegen hätten wir den Tag gerne auch anderswo gemeinsam genießen können. Doch du hüllst dich in Schweigen und tauchst einfach nicht auf.«
    »Hör zu ...«
    »Du hast mich versetzt!«
    »Der Sonnenschein wird das Problem gewesen sein!«
    Estelles Kopf ruckte herum, so dass ihre Haare flogen. In der Tür stand Asher und schaute keineswegs freundlich. Der Blick, den Julen ihm zuwarf, spiegelte diese Stimmung perfekt wider.
    Estelle blickte von einem zum anderen. Die Frage, die ihr unwillkürlich entschlüpfte, machte ihren halbherzigen Versuch, nach dem ersten Schrecken einigermaßen souverän auf Ashers plötzliches Auftauchen zu reagieren, zunichte. »Sonnenschein? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
    »Er ist ein Dunkelelf.« Asher schlenderte in den Salon und blieb dicht vor Julen stehen, der hörbar mit seinen Zähnen knirschte. »Sag nicht, du hast vergessen, diese Kleinigkeit zu erwähnen.«
    »Aber«, sie schluckte, »dann ist er nichts anderes als ...«
    Julen trat vor. »Estelle, lass dir erklären ... bitte!«
    Doch da gab es nichts zu erklären. Die wie durch Geisterhand verschwundenen Leichen vom Vorabend, sein Fernbleiben während des Tages, alles deutliche Zeichen, die sie übersehen hatte. Vielleicht hatte übersehen wollen, weil sie sich in Julens Gesellschaft wohlgefühlt hatte.
    »Du hast mich die ganze Zeit getäuscht!«
    »Estelle!«
    »Raus! Ich will dich nie wieder sehen!«
    Julen wusste, wann Schweigen angesagt war. Im Moment war ganz klar nicht mit ihr zu reden. Die Luft um ihn schimmerte silbern, dann war er fort.
    »Und jetzt zu dir!« Estelle starrte Asher wütend an. »Hat Manon dich geschickt? Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen, sie hätte doch einfach nur anzurufen brauchen. Wie bist du hier hereingekommen?« Sie wies anklagend auf die geschlossene Tür, dann dämmerte es ihr langsam. »Nein!«
    Asher war klar, dass sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand, und er tat etwas für ihn sehr Ungewöhnliches. »Sieh selbst!«, sagte er und öffnete ihr Teile seiner gut gehüteten Gedankenwelt.
    Sofort fand sie sich auf einer Wiese wieder, die ihrer eigenen inneren Landschaft zum Verwechseln ähnlich sah. Allerdings herrschte in seiner Welt heller Tag. Am Himmel stand, anders als bei ihr selbst, keine schmale Mondsichel, sondern eine goldene Sonne, Vögel zogen über das blaue Firmament, Insekten summten und labten sich an bunten Blumen. Ein Stern fiel vom Himmel, und als sie geblendet blinzelte, kam Asher ihr aus dem Licht entgegen und breitete seine Arme aus. Estelle lief los und sprang regelrecht in seine Umarmung, wie sie es als Kind schon bei ihrem Vater getan hatte. Er hielt sie fest umschlungen, drehte sich mit ihr im Kreis, bis er das Gleichgewicht zu verlieren schien und beide lachend in einen Strudel fielen. Statt der erwarteten Angst ließ ein Glücksgefühl ihr Herz schneller schlagen. Sie spürte, wie sein muskulöser Körper zum Leben erwachte, warme Hände gaben sie frei, doch sie genoss seine Nähe zu sehr, um auf die ängstliche Stimme zu hören, die ihr zuflüsterte, aufzustehen und zu fliehen, solange es noch ging. Er löste die Spangen, mit denen sie am Morgen ihre Frisur gebändigt hatte, und seine Finger breiteten die dunklen Haarsträhnen aus, bis diese sie beide wie ein seidiges Tuch bedeckten. Dabei schaute er sie liebevoll an und in seinen Augen spiegelte sich die Unendlichkeit des Himmels. Als sie hineinblickte, wusste Estelle, dass sie ihr Leben lang von dieser Oase des Friedens geträumt hatte.
    »Du musst keine Angst vor mir haben!«, flüsterte Asher und sie waren zurück im Hotelzimmer.
    »Du also auch!« Estelle konnte es nicht fassen. Wie hatte sie so blind sein können, nicht zu bemerken, dass sie die ganze Zeit von Vampiren umgeben gewesen war? »Manon?«, fragte sie.
    Er lächelte und sein sonst so verschlossenes Gesicht schien mit einem Mal völlig verändert. Die tiefblauen Augen leuchteten und spätestens als sie das Grübchen in seiner Wange wieder entdeckte, war es um sie geschehen. Es war, als ginge die Sonne nach einer langen Winternacht endlich auf. Vielleicht kein ganz glücklicher Vergleich bei einem Vampir, dachte Estelle.
    »Manon ist eine Freundin. Wenn du mehr wissen möchtest, solltest du sie selbst fragen.«
    »Kein Blutsauger?«
    »Kein Vampir«, bestätigte er und sein Mund war auf einmal

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