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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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nehmen. Nur anrufen wird sie und sagen, dass sie wieder da ist, dass sie alles erledigt hat und dass sie sich morgen sehen. Falls es überhaupt noch ein Arbeitsmorgen geben würde. Darüber muss sie noch nachdenken.
    Zu Hause wird sie sich umziehen und auf der Letná-Höhe spazieren gehen. Sie wird sich auf eine Bank setzen und sich Kaffee und eine Weinschorle bestellen. Der Kaffee wird nach Plastik schmecken und der Wein wird zu stark verdünnt sein, aber Hana wird es nichts ausmachen. Sie wird auf die Stadt herunterschauen und sich freuen. Sie wird Milena anrufen und fragen, ob sie abends Lust auf einen Drink hätte. Und darüber nachdenken, was sie mit ihrem Mann machen soll. Mit ihrem alten Leben.
    In der Tasche ihres Jacketts findet sie Thomas’ Visitenkarte. Wann hat er sie ihr gegeben? In der schaukelnden gelben Straßenbahn Nummer 28? Oder in dem Fischerbistro in Bairro Alto, in dem sie zu Abend gegessen haben? Auf einmal weiß Hana nicht mehr, ob sie ihm die ihre gegeben hat. Sie wirft noch einen Blick auf seine Karte und reißt sie entzwei. Die Stewardess, die zum letzten Mal mit einer Mülltüte in der Hand durch den Gang geht, hält ihr einen leeren Kaffeebecher hin. Hana wirft die zerrissene Karte hinein.
    Hello, Prague. Goodbye, Thomas.

HIGH NOON
    D en Rest vom Pausenbrot teilt sich Petr mit Malmö. Dann lehnt er sich gegen den Waggon und steckt sich die erste Mittagszigarette an. Hoch über seinem Kopf braust ein rotgrüner Airbus und übertönt für einen Moment den Straßenverkehr. Tap Portugal . Petr sieht auf die Uhr. Lissabon hat heute zehn Minuten Verspätung.
    Der Straßenlärm ist wieder zu hören. Petr raucht und beobachtet zwei Obdachlose am Kiosk, die sich darüber streiten, wer von ihnen das nächste Bier zahlt. Und wer die Chips.
    Die nächste Zweiundzwanzig gleitet sanft in die Endhaltestellenschleife. Aus ihr schiebt sich Hrouda heraus. Er trägt das Straßenbahnerjackett über einem seidenen Overall mit der Aufschrift AUDI auf der Brust. Um seinen Hals hängt ein verschwitztes Handtuch, das Hrouda über die Griffstange der Steuerung legt, die sich für seine Hände zu kühl anfühlt.
    Er hat sicher schon wieder an die zehn Kilo zugenommen. Eines Tages wird er platzen. Hrouda ist fünfzig, wohnt immer noch bei seinen Eltern und wird dort bestimmt auch sterben. Er fährt seit dreißig Jahren Straßenbahn und das Einzige, wofür er sich seit dreißig Jahren interessiert, sind Straßenbahnen. Und darauf ist er auch noch stolz. Der Mensch soll seinen Beruf lieben, sagt er.
    »Wir sind immer noch an der Museumstram zugange. Die T3, hab ich doch von erzählt, nicht?«
    Er holt sein Pausenbrot hervor, es ist sorgfältig in eine Papierserviette gewickelt wie beim Schulausflug. Brot mit Salami. Von der Mami geschmiert.
    »Klasse.«
    »Komm doch mal vorbei. Wir quatschen ein bisschen, ich zeig dir alles, vielleicht kriegst du Lust mitzumachen. Danach gehen wir noch in ’ne Kneipe. Lauter nette Jungs, die da mitmachen. Alles Straßenbahner.«
    »Ich weiß nicht. Bin viel unterwegs.«
    »Was machst du denn so Wichtiges?«
    »So dies und das. Hobbys. Frauen.«
    »Du bist nicht so gerne hier, oder?«
    »Schon. Aber Frauen find ich spannender.«
    »Das ist vielleicht dein Problem. Ne Tram ist keine Frau.«
    »Kannst du mal an was anderes denken? Meinst du, ich will ’ne Straßenbahn bumsen?«
    »Ich will dir nur helfen. Sonst kriegst du nie ’ne feste Stelle.«
    »Ich will eh nicht ewig hier hängenbleiben.«
    »Aber ein bisschen Spaß macht es dir schon, oder?«
    »Ein bisschen, ja.«
    »In fünf Jahren hast du dich eingewöhnt. Und nach zehn Jahren kennst du nichts Besseres. So ging’s mir damals auch.«
    »In zehn Jahren bin ich hoffentlich ganz woanders.«
    »Schick dann ein Rauchzeichen rüber, ja?«
    Über ihren Köpfen dröhnt das nächste Flugzeug. KLM . Amsterdam. Pünktlich.
    Auch Petr sollte pünktlich abfahren, sonst zeigt Hrouda ihn noch beim Dispatching an.
    »Malmö, los geht’s.«
    »Hunde sind nicht erlaubt.«
    »Ist kein Hund. Ne Hündin.«
    »Der beißt mal wen und dann hast du richtig Ärger am Hals. Ein Schäferhund in der Straßenbahn, das gibt’s doch nicht.«
    »Das ist ein Labrador, Mann. Hast du ’ne Ahnung, wie viele Leute die schon vorm Ertrinken gerettet hat?«
    »Hauptsache du säufst nicht ab wegen ihr!«
    »Du mich auch, Museumstüte.«
    Petr steigt in den Waggon, lockert die Bremse, klingelt und fährt die wenigen Meter bis zur Haltestelle. Die beiden Penner

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