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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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steigen ein, Bierdosen in der Hand. Laut Vorschrift müsste er sie rausschmeißen, aber das tut er nicht. Vor seinem inneren Auge sieht er schon, wie sich adrette Damen die Nase zuhalten und möglichst weit entfernt Platz nehmen.
    Man sagt, Prag stinkt. Und das stimmt ja auch. Aber genau das gefällt Petr. Die Stadt stinkt dermaßen, dass er den Geruch schon wieder schön findet. Und das ist wirklich eine Leistung.
    Petr wirft einen letzten Blick auf die Haltestelle, ob noch jemand mitfahren will. Aber er sieht nur Hrouda und seine dicke schwitzige Hand, die ihm freundlich zum Abschied winkt. Ob er sich morgens mit der Hand einen runterholt? Denkt er dabei an seine Straßenbahn? An etwas Konkretes? An die Rücklichter vielleicht?
    Petr sieht sich noch einmal um. Genau hier hat gestern Abend Vanda gestanden. Er hätte sie in der Dunkelheit fast übersehen. Aber Malmö hat sie gesehen.

DER COWBOY MIT DEN SCHERENHÄNDEN
    S ie muss kurz warten. Michal hat noch eine Kundin. Vanda bleibt unten im Empfangsbereich, hinauf ins Café mag sie nicht gehen. Zu viele Treppen und zu früh am Morgen. Zu faul.
    Sie blättert in einer Zeitschrift mit neuen Frisuren, obwohl sie ganz genau weiß, was gemacht werden soll. Den Seitenscheitel nachschneiden. Kinnlang. Hinten etwas kürzen. An der Seite auch. So ’ne Art Tuning halt. Michal würde schon wissen, was sie will. Es wird auch ganz schnell gehen, Vanda ist ohnehin erst vor zwei Wochen beim Friseur gewesen, seitdem werden ihre Haare kaum gewachsen sein. Aber sie möchte heute besonders gut aussehen. Damit sie den Männern gefällt, die zu ihrem Konzert kommen. Den Frauen auch, klar. Und sich selbst. Sogar dem Arschloch Harry möchte sie gefallen.
    Aus den Lautsprechern sickert eine langsame traurige Musik. Kein Hip-Hop wie sonst. Klar, Spanien. So was haben die dort auch, bei Beerdigungen. Vanda hat das einmal im Fernsehen gesehen. Eine Sekunde lang ist sie sich nicht sicher, ob sie wirklich Spanisch hört, vielleicht war es was ganz anderes, das nur wie Spanisch klang. Aber eigentlich will sie es gar nicht so genau wissen.
    Sie blättert in der Zeitschrift, hört die Barbie im Friseurstuhl mit Michal diskutieren, ob ihre Haare einen Zentimeter länger oder kürzer sein sollen. Am liebsten würde sie ihr eine pfeffern. Solchen Tussen hat ihre Band den Namen zu verdanken: Kill the Barbie .
    Endlich zahlt die Frau. Ein Model-Typ im gelben Kleid, Leggins und kurzer schwarzer Lederjacke, den Autoschlüssel in der Hand. Volkswagen. Wie öde.
    Sie und Vanda sehen sich nicht einmal an.
    Michal bittet Vanda zu sich. Sie küssen sich zweimal auf die Wange. Einmal haben sie auf einer Party im Roxy rumgeknutscht, da waren sie beide ziemlich voll. Mehr war aber nicht passiert. Michal steht eher auf Jungs. Nicht ausschließlich. Aber schon ziemlich. In jener Nacht hat er letzten Endes auch einen Typen und nicht Vanda abgeschleppt.
    Michal liebkost Vandas Haare. Er spült sie mit einem Strahl lauwarmen Wassers ab. Das Wasser rauscht Vanda in den Ohren. Als würde sie ins Meer eintauchen. Solche Augenblicke gehören zu den schönsten im Leben, denkt Vanda. Sie sollte ihrer Mutter sagen, dass sie öfters zum Friseur gehen soll. Vielleicht bräuchte sie dann ihre Tabletten nicht mehr. Oder sie würde wenigstens für eine Weile vergessen, was Vater ihr angetan hat. Genauso wie Vanda jetzt für eine Weile vergisst, was Harry ihr gestern angetan hat.
    Michal rubbelt Vanda die Haare mit einem Handtuch trocken und dirigiert sie zu einem der Sessel vor der Spiegelwand. Er legt sich einen Gürtel um, in dem eine Batterie von Scheren und Kämmen steckt. Der Cowboy mit den Scherenhänden. Er macht sich über Vandas Haare her. Die Schere in seiner Hand bewegt sich mit unglaublicher Geschwindigkeit.
    »Was hast du da heute für ’ne komische Musik laufen?«
    »Madredeus.«
    »Spanien, ja?«
    »Portugal. Aus Lissabon. Im November geh ich hin.«
    »Ferien?«
    »Maloche. Ein Kumpel von mir hat dort ’nen Salon aufgemacht und sucht Leute.«
    »Und wer schneidet dann meine Haare?«
    »Ich lass dich einfliegen, Vanda.«
    »Cool. Da kannste drauf wetten, dass ich komme.«
    Vanda grinst ihn im Spiegel an. Michal grinst zurück. Nimmt einen Föhn und pustet die abgeschnittenen Haarstoppeln an Vandas Hals weg. Fertig.
    »Dein Tattoo?«
    »Okey dokey.«
    Vanda grinst ihn erneut an und krempelt den Ärmel hoch. Sie hat es hier im Salon machen lassen, eine Etage tiefer.
    »Es juckt noch ein bisschen … Komm doch

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