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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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fünfzehn waren? Wie es sich wohl mit ihm anfühlen würde? Bumsen mit Carlos’ Stoff klappt gut. Es reinigt das Hirn. Totaler Restart.
    Tony. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, mit jemandem zusammen zu sein, der ähnlich drauf ist. Wie dieser Straßenbahner. Ein Mann, der das Leben gelassen nimmt und seine Unruhe nur im Bett auslebt. Sie bekommt Lust auf Sex. Jetzt sofort. Sich einen Mann zu schnappen und zu sagen, besorg’s mir. Sie wirft Tony noch einen Blick zu. Dann sieht sie Harry an. Denkt wieder an Petr. Sie schließt kurz die Augen und stellt sich vor, wie sie mit allen Typen der Welt gleichzeitig schläft, sie stellt sich vor, von ihnen geküsst, an der Brust gestreichelt, geleckt zu werden. Sie fühlt sie in sich. Alle auf einmal. Sie fühlt, wie nass sie ist.
    Dann aber macht sie die Augen auf und greift nach ihrer Tasche mit den neuen Klamotten.
    In ein paar Minuten geht’s los. Höchste Zeit sich umzuziehen. Aber davor würde sie sich noch draußen am Eingang eine Fluppe gönnen und nachsehen, ob vielleicht Mama gekommen ist.

FRÜHGEBURT
    D raußen vor dem Restaurant zieht Hana ihr Handy heraus. Eine Nachricht von Wayne. Er habe Angst um sie, würde sie gerne sprechen. So was hat er ihr noch nie geschrieben. Sie löscht die Nachricht. Findet endlich die, die sie haben wollte. Liest sie noch einmal: See you somehow, somewhere. Thomas, la petite mort .
    Sie wählt seine Nummer. Am anderen Ende klingelt es lange.
    »Hallo?«
    »Hi, ich bin’s …«, sagt sie auf Deutsch.
    »Wer ist da?«
    »Hana …«
    Er sei gerade in Barcelona. Ja, dieselbe Langeweile, dieselben Gesichter und dieselben leeren Phrasen wie in Lissabon. Ja, gestern sei es nett gewesen. Sogar richtig nett. Vielleicht sehen sie sich wieder mal, irgendwo. Das wäre schön. Ja, auch ihr noch einen schönen Abend.
    Eine leere Straßenbahn fährt vorbei. Sie biegt quietschend um die Ecke und nimmt Thomas mit. Hana weiß, dass es zu Ende ist. Obwohl sie sich fragt, wie etwas zu Ende gehen kann, das nicht einmal richtig angefangen hat, etwas, von dem womöglich nur sie kurz gedacht hat, dass da etwas sein könnte? Vorbei. Zu Ende. Und zwar definitiv. Aber auch die Beziehung mit Wayne ist vorbei, das weiß Hana genau. Sie wird allein leben. Ja. Irgendwie. Das wollte sie doch, oder? Sie weiß es nicht. Heute früh hat sie sich darauf gefreut. Klar will sie das. Im Moment macht sie der Gedanke aber etwas unsicher und traurig. Vielleicht liegt es daran, dass der Sommer zu Ende geht, denkt sie und geht zurück ins Restaurant.
    »Ist was passiert?«
    »Nein. Das ist es eben.«
    Sie zahlen.
    Und gehen zur Haltestelle.
    In der Straßenbahn klingelt Hanas Handy. Wayne.
    »Seit heute früh versuche ich dich zu erreichen.«
    Seine Stimme klingt müde. Traurig. Auch ein wenig angetrunken. Ihre Stimme vermutlich auch.
    »Mein Handy funktioniert nicht richtig, tut mir leid. Der Akku …«
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Ich mit dir auch.«
    Er schweigt kurz. Dann erzählt er von Mike. Und von Clark und von seinem Gespräch mit Dave. Er sagt, dass er sie braucht. Wo sie gerade sei?
    »Ich bin mit Milena unterwegs. Sie hat mich zu einem Konzert ins Akropolis überredet. Willst du come with us?«
    »Yes.«
    »Fine. Ich freu mich.«
    »I love you.«
    Sie antwortet nicht.
    »Hoffentlich beschert ihr mir keine Frühgeburt«, sagt Milena.

VLADIMÍRS FRAU
    V ladimír kauert im Wohnzimmer auf dem Fußboden. Ihm gegenüber sitzt seine Frau. Sie hat ihren braunen Pullover an. Die Wand, an der sie sich anlehnt, ist kalt. Wenn sie aufsteht, wird sie einen weiß verschmierten Rücken vom Wandputz haben. Vladimír wird dann die Farbe von ihrem Pullover abklopfen.
    Sie sieht wunderschön aus. Und jung. Sie ist genauso wie damals, als sie sich kennengelernt haben. Als sie gemeinsam zu Konzerten und ins Theater gegangen sind, als sie geheiratet haben. Als ihre beiden Kinder zur Welt kamen. Vladimír hat immer schon gedacht, sie würde nie alt werden.
    Sie sehen sich an und schweigen.
    Vladimír blickt zurück auf sein Leben. Er ist auf der Letná aufgewachsen. Auf der Letná-Höhe, wo die Kommunisten dem Volk bei den Militärparaden zuwinkten, wo schon immer Fußball gespielt und viel Bier getrunken wurde, wo man ganz Prag unter sich liegen sah wie auf einem Präsentierteller. Als Kinder haben sie hier Drachen steigen lassen, auf dem Bolzplatz getobt, Fangen gespielt und die besten Hotdogs (die man damals noch Wurst im Kipferl nannte) von ganz Prag in sich

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