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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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kommen sie zurück?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Johnny.
    »Suchen sie nach Granny?«
    Die Schildkröte hatte er völlig vergessen. »Keine Ahnung, Smudge. Sie sind einfach losgefahren.«
    »Ich glaube, sie suchen nach Granny«, erklärte sie, setzte sich neben ihn und baumelte mit den Beinen. »Oder vielleicht«, fuhr sie fort, während sich ihre Züge erhellten, »holen sie auch ein neues Haustier für mich.«
    Johnny legte den Arm um sie und drückte sie an sich. »Vielleicht«, erwiderte er leise. Er hatte keine Ahnung, wie er mit der Situation umgehen sollte.
    Sie sah ihm in die Augen. »Glaubst du, ich kriege ein Pferd?«
    Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Ich bin nicht sicher, ob ein Pferd überhaupt auf ein Boot passt.«
    »Aber Pferde mögen Boote«, erklärte sie im Brustton der Überzeugung.
    Clem biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab.
    »Vorhin sind am Bug überall Delfine geschwommen«, sagte er zu ihr. »Geh doch mal nachsehen, ob sie noch da sind.« Er sah zu, wie sie fröhlich nach vorn hüpfte und sich auf den Bauch legte, um sich mit den Delfinen zu unterhalten.
    Clem wischte sich die Tränen von den Wangen. Sie zitterte. Wenig später stand sie auf und ging mit Smudge unter Deck. Sie schlossen die Cockpittüren, während Johnny oben blieb, um allein weiterzusegeln. Wir werden es schon schaffen , sagte er sich. Doch in Wahrheit fragte er sich, wie zum Teufel sie all das jemals wieder auf die Reihe kriegen sollten. Er hatte etwas Schreckliches getan. Aber es hatte keinen anderen Ausweg gegeben, soviel stand fest. Trotzdem war es schrecklich von ihm gewesen, und nun hatte er ein Kind bei sich, um das er sich kümmern musste. Was um alles in der Welt sollten sie mit einem Kind anfangen? Er zwang sich, einige Male tief Luft zu holen. Immer schön eines nach dem anderen.
    In der Ferne machte er ein Kreuzfahrtschiff aus, dessen Lichterketten in der Dunkelheit funkelten. Er stellte sich vor, wie die Leute an Bord tanzten, Cocktails schlürften und irgendeinem abgehalfterten Schnulzenheini lauschten, ehe sie sich zu später Stunde zwischen ihre blitzsauberen Laken legten. Er wünschte, er wäre an Bord des Kreuzfahrtdampfers, ein x-beliebiger Gast, jemand ganz anderes.
    Nach einer Weile ging der Morgenstern auf, so hell und rot, dass er im ersten Moment dachte, es müsse sich um den Backbordscheinwerfer eines Schiffes handeln, doch er wanderte immer weiter am Himmel entlang, bis er direkt über der Spitze des Segels stand. Johnny ging nach unten, um sich einen Kaffee zu machen. Seine Lider fühlten sich wie Sandpapier an. Doch es war sinnlos, sich hinzulegen. Er würde keine Sekunde Schlaf finden.
    Clem lag reglos und mit geschlossenen Augen auf dem Backbordsitz. Hinter ihr brannte die kleine Leselampe. Er trat neben sie und betrachtete ihr bildschönes Gesicht. Inzwischen hatte ihre Haut einen noch tieferen Braunton angenommen, selbst die Innenseite ihrer Oberarme und ihr Haaransatz waren braun gebrannt. Es hatte eine Zeit gegeben, als er sich nicht hätte zurückhalten können, sondern sich über sie beugen und sie küssen müssen. Doch nun brachte er es nicht über sich. Die Kluft zwischen ihnen war zu groß. Er wusste, dass das Band zwischen ihnen zerrissen war, doch er hatte keine Ahnung, wie er daran etwas ändern sollte – dieser Punkt schien auf seiner Prioritätenliste im Augenblick ganz weit unten zu stehen. Er trat an ihr vorbei zum Vorschiff und öffnete die Tür. Clem hatte Smudge ins Bett gelegt und Kissen rings um sie herum gestopft, damit sie nicht herausfallen konnte. Sie wirkte so winzig und verletzlich. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und ihre kleine schmale Brust hob und senkte sich unter ihren tiefen Atemzügen. In diesem Moment traf ihn die Erkenntnis, was für eine enorme Verantwortung auf seinen Schultern lastete, mit der Wucht eines Baums. Sie gehörte nun zu ihnen. Sie war sein kleines Mädchen. Er würde versuchen müssen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit es ihr gut ging. Er schloss die Finger um ihre winzige Faust und schwor ihr, dass ihr Wohlergehen stets an oberster Stelle für ihn stehen würde. Für einen kurzen Moment schien es, als spannten sich ihre winzigen Finger unter dem Druck seiner Berührung an, und er spürte, wie sich tief in seinem versteinerten Herzen etwas zu regen schien. Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange.
    Als er in die Kabine zurückkehrte, saß Clem mit der Decke um die Schultern aufrecht.
    »Ich dachte,

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