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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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zurückkommen und die Bombe herausholen. Oder sie zünden. Wenn sie dann noch da ist.
    Zu Hause kommt mir meine Mutter entgegen.
    »Herr Ferne hat mich in der Firma angerufen«, sagt sie.
    »Er macht sich große Sorgen um dich.«
    Soll er doch.
    »Er sagt, ein Schüler, der nicht mündlich mitarbeitet, wird auf Dauer große Schwierigkeiten bekommen.«
    Na und.
    »Er schlägt vor, dass du jemanden besuchst, der sich mit solchen …« Sie stockt einen Augenblick. Dann fährt sie fort: »… der sich mit solchen Problemen, wie du sie hast, auskennt. Was hältst du davon?«
    Nichts.
    »Es gibt einen Experten ganz in der Nähe«, sagt sie. »Er heißt Doktor Winkelmann. Ich habe dich für übermorgen bei ihm angemeldet. Um drei.«
    Übermorgen?
    Was weiß ich, was übermorgen ist?
    »So geht es doch nicht weiter«, sagt meine Mutter. »Das hält keiner von uns aus. Und jetzt sagst du auch schon in der Schule nichts mehr. Was ist bloß los mit dir?«

    Sie will mir die Hände auf die Schultern legen. Ich gehe einen Schritt zurück.
    »Bitte«, sagt sie, »geh zum Doktor!«
    Dann schiebt sie endlich mein Mittagessen in die Mikrowelle.
    Es ist verrückt. Da schweige ich ein paar Tage und schon soll ich zum Psychoklempner. Dabei würde es allen guttun, mal für eine Weile den Mund zu halten, nicht nur meinen Eltern.
    Als ich zum Gasometer zurückkehre, ist es kurz nach fünf. Die Vermessungsleute und die Bauarbeiter sind verschwunden. Ich krieche durch den Zaun und sehe sofort, was in der Zwischenzeit passiert ist: An der Eingangstür hängt ein massives Vorhängeschloss, eines von den Schlössern, die sich nicht knacken lassen, höchstens aufsprengen. Ob sie die Bombe gefunden und dann abgesperrt haben? Unwahrscheinlich, in dem Fall wimmelte es hier nur so von Polizei.
    Und jetzt? Verdammt, was soll ich tun? Da ist noch die Treppe, die an der Außenhülle des Gasometers entlang nach oben führt: vierzig Stufen aufwärts, zehn Meter geradeaus, vierzig Stufen aufwärts, zehn Meter geradeaus … Mir wird schon beim Hochsehen schlecht. Vielleicht gibt es ja oben auf dem Dach einen Eingang und eine Leiter, die im Innern nach unten führt. Aber jetzt kann ich nicht hinauf. Ich muss warten, bis es dunkel ist.

    Die nächsten Stunden sind weg, ich habe keine Erinnerung an sie. Aber sonst bin ich überrascht, wie viel mir
einfällt. Sicher ist nicht alles ganz genauso gewesen, wie ich es aufgeschrieben habe. Und sicher habe ich auch den Zeitablauf nicht immer exakt hingekriegt. Doch die Stunden zwischen der Entdeckung des Vorhängeschlosses und dem Einbruch der Dunkelheit sind wie ausgelöscht, sind in dem verdammten Loch in meinem Kopf verschwunden.

    Mit der Dämmerung ist meine Erinnerung wieder da. Ich sehe mich, wie ich gerade den Rucksack mit dem Funkgerät in einem Gebüsch verstecke. Ich nehme die Taschenlampe, klettere über ein verschlossenes Tor und steige langsam am Gasometer aufwärts. Die Stufen unter mir quietschen. In jede der Stahlplatten neben mir sind große Nieten eingeschlagen. An ihnen und am Geländer halte ich mich fest. Es geht immer höher, immer seltener blicke ich nach unten.
    Nach mindestens tausend Treppenstufen erreiche ich das Dach. Dort gibt es keine Tür ins Innere, bloß mehrere kleine Fensterluken und einen Einstieg, der mit einer massiven Stahlplatte verschlossen ist. Ich untersuche die Luken und habe Glück - eine steht offen. Vorsichtig stecke ich den Kopf hinein, zwänge noch einen Arm hinterher und leuchte mit der Taschenlampe hinunter. Ihr Schein schafft es kaum bis zum Boden.
    Es gibt keine Innenleiter, es wäre auch zu schön gewesen. Da sind nur kahle Wände. Aber ich kann die Bombe sehen. Sie steht genau an der Stelle, wo ich sie am Mittag hingestellt habe.
    Und da muss sie jetzt immer noch stehen! Verdammt,
wie schaffe ich das Ding bloß wieder aus dem Gasometer raus? Oder habe ich es schon getan und erinnere mich nur nicht?
    An diesem Abend jedenfalls bin ich erst einmal erleichtert, dass die Bombe noch nicht gefunden worden ist. Ich steige die tausend Stufen wieder hinunter und überlege dabei, wie ich an sie herankomme. Durch die Luke oben auf dem Dach passe ich. Mit einem Seil könnte es gehen. Ich müsste es auf dem Dach des Gasometers befestigen und mich hinunterlassen. Und wie komme ich dann wieder hinauf? Mir wird speiübel bei dem Gedanken.

    »Morgen ist dein Termin bei Doktor Winkelmann«, sagt mein Vater am nächsten Tag. Ich sitze noch beim Frühstück.
    Ich schüttele den

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