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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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klingt nun gar nicht mehr freundlich. »Ob du mir dabei hilfst oder nicht.« Damit geht er hinaus.
    Ein paar Minuten warte ich, dann ziehe ich mir Jeans und T-Shirt an und verlasse mein Zimmer. Es ist ruhig auf der Station, die Visite scheint zu Ende zu sein. Im Aufzug wird mir schwindlig, ich muss mich an die Wand lehnen.
    Doktor Bach ist nicht in seinem Zimmer. Eine Schwesternschülerin sagt mir, dass er zu einer Besprechung beim Chefarzt gerufen worden sei.
    Gegenüber dem Stationszimmer setze ich mich auf einen der unbequemen Plastikstühle und warte. In einer Stunde soll die Sprachtherapie beginnen. Wenn ich bis dahin nicht zurück bin, kriege ich Ärger. Aber das ist mir egal, das hier ist jetzt wichtiger.
    Nach mehr als einer Stunde taucht der Doktor endlich auf. Als er mich entdeckt, lächelt er.
    »Hallo, Jonas! Bist du abgehauen? Wie geht’s dir?«, fragt er weiter. Seine Stimme verrät, dass er es eilig hat.
    »Du, tut mir leid, ich habe zu tun«, sagt er und wendet sich zum Gehen. »Besuch mich doch ein andermal, ja?«

    Ein andermal? Jetzt brauche ich Sie, jetzt!
    Ich stehe auf und halte ihn am Ärmel fest. Erstaunt sieht der Doktor zu, wie ich ihm einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Kittels fische. Als Nächstes reiße ich ein Blatt aus der Kladde, die ich mitgebracht habe, und schreibe: »Im Gasometer ist eine Bombe!«
    Doktor Bach liest den Zettel und zieht mich hinter sich her in sein Zimmer. Es sieht so aus, wie ich es aus diesem Buch kenne. Den Echinocereus palmeri könnte er wirklich mal gießen. Der tut es sonst nicht mehr lange - auch wenn er ein Kaktus ist.
    Während ich mich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch setze, wandert Doktor Bach im Zimmer umher.
    »Bist du sicher?«, fragt er aufgeregt.
    Ich nicke.
    »Woher weißt du das mit der Bombe?«
    Ich habe sie selbst dort hingebracht.
    »Ist sie scharf?«
    Scharf? Eigentlich nicht. Ohne Funksignal kann nichts passieren. Aber wenn jemand meine Frequenz erwischt …
    Also nicke ich.
    »Du hast die Bombe gebaut, stimmt’s?«, fragt er, nachdem er eine Weile nachgedacht hat.
    Ich reiche ihm diese Kladde.
    »Da steht alles drin?«
    Fast alles.
    Bach setzt sich hinter seinen Schreibtisch und legt die Hand auf den Telefonhörer. Es ist nicht schwer zu erraten, was er vorhat.

    »Ich muss die Polizei alarmieren, Jonas«, sagt er. »Sie haben bestimmt Spezialisten, die so ein Ding entschärfen können.«
    Und was wird aus mir?
    »Keine Angst, ich verrate dich nicht.«
    In diesem Augenblick klingelt das Telefon, der Doktor hebt ab. »Ja, er ist bei mir«, sagt er. »Ja, ich schicke ihn gleich zu euch rauf. Ja doch, sofort.«
    »Auf der Station warten sie auf dich«, sagt er, nachdem er aufgelegt hat. »Du sollst zum EEG. Die Sprachtherapie fällt heute aus.«
    Am Nachmittag kommen meine Eltern zu Besuch. Sie bringen Kim mit.
    »Morgen wirst du entlassen«, sagt meine Mutter. »Doktor Norden war gerade hier. Mit dem EEG ist alles in Ordnung.«
    »Freust du dich, Jonas?«, fragt mein Vater.
    Freue ich mich? Will ich nach Hause? Das Krankenhaus ist sicher nicht der Ort, an dem ich alt werden möchte. Aber hier habe ich meine Ruhe - wenn ich nicht zu den Untersuchungen muss.
    »Wir nehmen schon mal ein paar Sachen mit«, sagt mein Vater. »Den Rest packen wir morgen ein.«
    Er schaut zu Kim hinüber. »Sicher wollt ihr euch ein bisschen allein unterhalten, stimmt’s?«
    Ehrlich gesagt, mir ist es im Augenblick ziemlich egal, ob Kim da ist oder nicht. Ich denke an nichts anderes als die Bombe. Mein Nacken verspannt sich, ich ziehe meinen Kopf tiefer zwischen die Schultern.
    Meine Eltern scheinen von meinem Zustand nichts
mitzubekommen. Sie packen die Klamotten in die mitgebrachte Reisetasche und verabschieden sich.
    Danach ist es lange still im Zimmer. Ich kann nicht sprechen, und Kim weiß wohl nicht, was er sagen soll.
    Schließlich murmelt er: »Ich soll dich von den anderen aus der Klasse grüßen. Und von den Lehrern natürlich auch.«
    »Mhm«, mache ich. Das »Mhm« ist mir geblieben. Wenigstens das.
    »Alle wünschen dir gute Besserung«, sagt Kim.
    Was sonst.
    »Ich sollte dir die Schulaufgaben mitbringen. Hab ich natürlich nicht getan. Ist doch in Ordnung, oder?«
    Ich grinse.
    »Deine Eltern haben mir gesagt, dass du immer noch nicht sprichst«, sagt er.
    »Mhm.«
    »Entschuldige, ich habe vor dem Unfall gedacht … Ich habe gedacht, dass du eine Show abziehst. Mit deinem Schweigen, meine ich.«
    Da hast du richtig gedacht.
    Kim

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