Die Stille zwischen den Sternen
entlassen. Aber das wissen Sie ja. Ihr Kollege, Doktor Norden, schien bei seiner letzten Visite richtig froh zu sein, mich endlich loszuwerden. Dabei war ich Privatpatient. Und die bringen dem Krankenhaus doch Geld. Oder liege ich da falsch?
Auf der Fahrt zu mir nach Hause wurde nicht gesprochen.
Das heißt, meine Mutter blieb stumm, ich hätte ja sowieso nichts sagen können. Ein paar Mal schaute sie mich an und strich mir über den Arm. Ihre Finger fühlten sich kühl an.
Zu Hause stand ein riesiger Blumenstrauß in meinem Zimmer. Rosen und Margeriten. Meine Eltern haben mir noch nie Blumen geschenkt.
»Gefallen sie dir?«, wollte meine Mutter wissen.
Ja, sie gefielen mir. Sehr gut sogar.
Meine Mutter hatte in der Küche den Tisch für ein zweites Frühstück gedeckt, hatte Sesambrötchen und Honigbrot gekauft. Endlich mal was anderes als der ewig gleiche Krankenhausfraß. (Entschuldigen Sie, Herr Doktor!)
»Papa hat keine Zeit«, sagte meine Mutter. »Aber er kommt zum Mittagessen. Ich habe mir heute freigenommen.«
Sie schob mir den Korb mit den Brötchen hin.
»Schön, dass du wieder bei uns bist, Jonas. Es wird alles gut. Sollst mal sehen.«
Als wir gefrühstückt hatten, holte sie einen dicken Schreibblock und einen Stift aus ihrer Handtasche.
»Da kannst du draufschreiben, was du uns sagen willst. Ja?«
Ich nahm ihr den Stift und den Block aus der Hand und schrieb säuberlich: »Ja.«
Sie fand das witzig. Ich nicht.
Bis zum Mittag blieb ich in meinem Zimmer. Ich versuchte zu lesen, setzte mich an den Computer, probierte einige Spiele aus, aber alles langweilte mich.
Irgendwann legte ich mich aufs Bett und schob eine Simple-Minds-CD in den Player. Danach ging es mir ein bisschen besser.
Mein Vater kam pünktlich zum Mittagessen. Zur Begrüßung wollte er mich in den Arm nehmen, doch irgendwie schaffte ich es, mich aus seinem Klammergriff herauszudrehen. Das schien ihn zu enttäuschen, er verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln.
»Schön, dass du wieder da bist«, sagte er. »Alles wird gut, Jonas. Sollst mal sehen.«
Hatten sich meine Eltern abgesprochen? Ist es das, was man in solchen Momenten sagt? Weil einem nichts Besseres einfällt? Oder sagt man es vielleicht gerade dann, wenn man Angst hat, dass alles ganz und gar nicht gut wird? Nie wird alles gut.
Beim Mittagessen war mein Vater richtig nett zu mir. Er bediente mich, legte mir nach, besorgte mir extrakalten Sprudel aus dem Keller und holte mir zum Nachtisch Erdbeereis aus dem Kühlschrank. Trotzdem - wenn ich ihn anguckte, sah ich ihn mit der anderen Frau, ich kam einfach nicht dagegen an.
Danach legte ich mich auf die Terrasse. Ich hätte gern geschlafen, aber es ging nicht. Deshalb holte ich mir irgendwann die Zeitung aus dem Wohnzimmer. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht mehr an die Bombe gedacht, hatte sie glatt vergessen. Doch von der ersten Seite sprang mich die Schlagzeile an: »BOMBENFUND IM GASOMETER«.
Und als Unterzeile las ich: »Dummejungenstreich oder Anschlag mit kriminellem Hintergrund?«
Weder - noch, dachte ich.
Auf dem Bild neben dem Artikel war eine vermummte Gestalt zu sehen. Sie ähnelte einem der Raumpiloten aus »Star Wars«. Die Gestalt stand mit meiner Bombe in den Händen in der Tür des Gasometers.
Der Reporter schrieb, es habe zu keiner Zeit eine Gefahr für die Bevölkerung bestanden. Der Gasometer hätte die Wucht der Detonation auf keinen Fall nach außen abgegeben. Dazu wäre die Sprengladung zu gering gewesen. Das habe bereits eine flüchtige Überprüfung durch die beiden Sprengmeister ergeben. Deshalb habe man auch auf eine Evakuierung der umliegenden Häuser verzichten können.
Dann folgte ein kurzer Bericht über die Entdeckung der Bombe, und der Artikel schloss: »Bei der Frage nach den Hintergründen tappt die Polizei noch völlig im Dunkeln. Die Bauweise des Zünders spreche für einen Profi, die geringe Ladung der Bombe lasse aber auch an einen Dummejungenstreich denken. Ein Zusammenhang mit den Protesten gegen die Errichtung des Medienparks sei nicht auszuschließen. Das Landeskriminalamt wurde in die Ermittlungen eingeschaltet.«
Mein lieber Mann, und das alles nur, weil ich meine Eltern zum Nachdenken hatte zwingen wollen! Wenigstens wäre keinem was passiert, wenn die Bombe tatsächlich hochgegangen wäre. Das beruhigte mich. Vielleicht hätte es auch gar nicht so laut geknallt. Vielleicht wäre ja bloß ein schlapper »Plopp« rausgekommen, der nicht einmal die
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