Die stillen Wasser des Todes - Roman
am Himmel vorüberzogen, und runzelte die Stirn. »Ich traue diesem Wetter nicht. Aber hoffentlich bleibt es noch eine Weile so, dann haben die Kollegen von der Spurensicherung draußen am Boot leichtere Arbeit.« Er marschierte zügig los in Richtung Marktplatz. »Und, was haben Sie so über Mr. Atterton herausgefunden?«, fragte er.
Cullen schob seine Brille hoch und verschränkte im Gehen die Hände hinter dem Rücken wie ein dozierender Professor. »Frederick Thomas Atterton, nach seinem Vater Thomas, einem hoch angesehenen Banker in der City. Aufgewachsen in Sonning-on-Thames, einem Dorf im Osten von Reading. Eine ländliche Idylle à la Der Wind in den Weiden , meint Melody.«
»Melody?«
»Mit einem Telefon als einziger Ausstattung waren meine Möglichkeiten naturgemäß etwas eingeschränkt.« Cullen zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Da musste ich eben fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Also, jedenfalls hat Atterton die Bedford School besucht, wo sein Rudertalent entdeckt wurde. Anschließend Oriel College in Oxford, wo er einen mittelmäßigen Abschluss in Biologie machte. Im Rudern hat er es aber offenbar weiter gebracht, denn er konnte zwei Mal einen Platz im Oxford-Achter ergattern, auf der Steuerbordseite; allerdings hat keine der beiden Mannschaften gewonnen.
Rebecca Meredith muss er in Oxford kennengelernt haben«, fuhr Cullen fort. »Sie hatte sich zunächst im Ruderteam des St. Catherine’s College ausgezeichnet und später auch an der Uni. Dort hat sie Strafrecht studiert.«
»Dann hat sie also ihren Mädchennamen behalten«, meinte Kincaid. Sie hatten das Maison Blanc erreicht, und als sie das Café betraten, schlug ihnen der Duft von gerade gebrühtem Kaffee und frisch gebackenem Brot entgegen. Nachdem sie sich einen Überblick über die riesige Auswahl an Muffins und Plundergebäck verschafft hatten, bestellten sie an der Theke. Kincaid nahm einen Cappuccino und ein Mandelcroissant, seine übliche Bestellung im Maison Blanc in der Holland Park Road, wenn er morgens von Holland Park aus mit der U -Bahn fuhr und keine Zeit gehabt hatte, zu Hause zu frühstücken.
Hatte ihn das Café magisch angezogen, weil er Heimweh hatte?, fragte er sich.
»Bloß nicht sentimental werden«, sagte er laut, worauf sowohl Cullen als auch die Verkäuferin ihn verblüfft anstarrten. »Beachten Sie mich gar nicht«, sagte er zu der Frau, während er ihr mit seinem charmantesten Lächeln das abgezählte Geld und noch ein Pfund extra für die Trinkgeldkasse in die Hand drückte.
»Einen wunderschönen Tag noch«, entgegnete die junge Frau und strahlte ihn an.
»Das grenzt ja fast an Bestechung«, murmelte Cullen, als sie mit ihren Frühstückstüten auf die Straße traten.
»Sie sind ja bloß neidisch.« Kincaid grinste. »Also, fahren Sie fort. Wo waren wir gerade? Mädchenname?«
Doug nahm einen Schluck von seinem Kaffee und zuckte zusammen. »Ach so, ja. Unter diesem Namen war sie als Ruderin bekannt, also nehme ich an, dass sie ihn deshalb behalten wollte. Obwohl ich meine Zweifel habe, ob ich so einen Ruf nicht lieber möglichst schnell losgeworden wäre.«
Während sie die Duke Street entlanggingen, fragte Kincaid: »Wieso, was ist passiert?«
»Im Jahr nach ihrem Uni-Abschluss war sie die große Hoffnung für Großbritannien im Frauen-Einer bei der kommenden Sommerolympiade. Aber in den Weihnachtsferien ist sie entgegen der strikten Anweisung ihres Trainers in Skiurlaub gefahren. Sie stürzte und erlitt einen so komplizierten Bruch des Handgelenks, dass sie monatelang nicht trainieren konnte. Und sie flog aus der Mannschaft.«
»Und ihr Trainer –«
»War Milo Jachym.« Doug aß den letzten Bissen von seinem Muffin und durchstöberte die Tüte nach Krümeln.
Kincaid dachte darüber nach, während er sein Croissant aufaß und vorsichtig an seinem Kaffee nippte. »Man könnte also sagen, dass ihr Verhältnis zu Jachym belastet war.«
»Ein bisschen, ja.«
»Und man könnte auf die Idee kommen, dass ihr geplantes Comeback ihm ein Dorn im Auge war – ausgerechnet jetzt, wo er sein eigenes Frauenteam auf die Olympiade vorbereitet.«
»Könnte man, ja«, pflichtete Doug ihm bei.
Sie hatten die Abzweigung zur Polizeiwache erreicht und blieben in unausgesprochenem Einverständnis stehen.
»Wann hat sie Atterton geheiratet?«, fragte Kincaid.
»Im Jahr darauf. Zur gleichen Zeit, als sie bei der Met anfing.«
»Und die Scheidung?«
»War vor drei Jahren. Sie hat sie beantragt, aber es gibt
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