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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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reagieren, auf diesen Beweis ihrer eigenen Sterblichkeit?
    Morgen würde er mit ihnen sprechen – mit Freunden, Mannschaftskameradinnen, Trainern. Und er würde sich mit Beccas Chef und ihren Kollegen bei der Met unterhalten müssen.
    Einen Moment lang schreckte ihn der Gedanke. Er hatte das Gefühl, dass der Schmerz und die Trauer anderer Menschen auf ihn abfärbten, in seine Poren eindrangen wie Teeflecken in ein Kleidungsstück. In den über zwanzig Jahren, die er nun bei der Polizei war, fiel es ihm immer noch schwer, mit Menschen zu kommunizieren, die den Schock einer Todesnachricht verarbeiten mussten.
    Er hatte es schon als uniformierter »Polyp« gehasst, wie Freddie Atterton den Constable wenig schmeichelhaft genannt hatte. Und inzwischen hasste er es vielleicht sogar noch mehr.
    Aber dann gewann wie immer seine Neugier die Oberhand. Er wollte wissen, wer diese Frau gewesen war, wer die Menschen waren, die sie gemocht, geliebt oder gehasst hatten. Er wollte wissen, wie sie gestorben war. Und wenn irgendjemand für ihren Tod verantwortlich war, dann wollte er dafür sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Das war es, was ihn in seinem Job bei der Stange hielt.
    Er ging zur Ampel zurück und blieb stehen, den Blick auf das blinkende grüne Signal gerichtet. Oberhalb der Brücke lockte ein Pub, das Angel on the Bridge, doch es war eine andere Versuchung, mit der er in diesem Moment kämpfte: Es war die Thames Side, die Straße direkt am Themseufer hinauf.
    Gab es die Galerie noch? Hing vielleicht sogar eines von Julia Swanns Gemälden im Fenster? Und ihre Wohnung, ein Stück weiter die Straße entlang, in der er einmal eine Nacht verbracht hatte – lebte sie noch dort?
    Aber nein. Er schüttelte den Kopf. Es war viel besser, es nicht zu wissen. Er war jetzt ein verheirateter – genau genommen ein mehrfach verheirateter – Mann, und es war besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen, ohne verpassten Chancen nachzutrauern.
    Und es war Zeit, dass er seinen Chef anrief.
    Er wandte sich gerade zum Hotel zurück, als er aus dem Augenwinkel einen Mann die Hart Street herunterkommen und beim Pub um die Ecke biegen sah. Dann verdeckte der Angel ihm die Sicht auf den Mann, doch Kincaid hatte genug gesehen.
    Es war ein großer Mann, sein Gang ein wenig unsicher, an seiner Seite ein schwarzer Hund. Selbst in Jeans und Jacke anstelle der schwarzen Uniform hatte er ihn sofort als den Hundeführer vom Such- und Rettungsdienst erkannt, der darauf bestanden hatte, mit ihnen zum Boot zu gehen. Kieran. Kieran Connolly.
    Sein Verhalten an diesem Nachmittag war ein wenig sonderbar gewesen, dachte Kincaid, und er fügte ein Gespräch mit Connolly zu der Liste hinzu, die er im Kopf zusammengestellt hatte.
    Achselzuckend kehrte er zum Hotel zurück, doch er fand, dass es noch etwas zu früh war, um auf sein Zimmer zu gehen. Also setzte er sich auf die schmiedeeiserne Bank unter dem Vordach des Hotels und rief seinen Chief Superintendent zu Hause an, um ihm von den Ereignissen des Tages zu berichten.
    Nachdem er sein Gespräch mit Atterton geschildert hatte, war Childs einen Moment lang still, wie Kincaid es von ihm gewohnt war. Dann sagte er: »Es wäre sicherlich am praktischsten, wenn sich herausstellen sollte, dass es der Exmann war.«
    »Am praktischsten?«
    »Na ja, Sie wissen schon. Eine Familientragödie. Nichts, was mit uns zu tun hat. Schnell erledigt und vergessen.«
    Kincaid musste zugeben, dass ihn die Beziehung zwischen Atterton und seiner Exfrau neugierig gemacht hatte. Es schien eine außergewöhnlich einvernehmliche Scheidung gewesen zu sein, und er hatte gespürt, dass Freddie Attertons Trauer echt war wie auch die von Milo Jachym.
    Gewiss hatte er auch schon Mörder erlebt, die ernsthaft um ihre Opfer getrauert hatten, und andere, die Gefühle so überzeugend darstellen konnten wie ein versierter Schauspieler. Meist war alles doch wesentlich komplizierter, als es auf den ersten Blick schien.
    Aber hier … hier war noch etwas anderes im Spiel; dieser Fall hatte noch eine verborgene Dimension, die er nicht fassen konnte. Er würde einfach abwarten müssen, wie die Dinge sich entwickelten.
    Im Augenblick jedoch beunruhigte ihn Childs’ beiläufig hingeworfene Bemerkung zutiefst. »Sir, wieso sollte diese Sache etwas mit uns zu tun haben?«
    »Duncan, Sie wissen ebenso gut wie ich, was passiert, wenn ein Polizeibeamter aus den höheren Rängen unter verdächtigen Umständen zu Tode kommt.« Childs’

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