Die stillen Wasser des Todes - Roman
keine Details, da er keinen Widerspruch eingelegt hat. Laut Gerichtsakte hat er sich sehr großzügig gezeigt – er überließ ihr nicht nur das Cottage, sondern auch die Hälfte seines Vermögens. Ich vermute mal, dass er ihr die Regelung angeboten hat, bevor ihm klar wurde, wie schwer die Krise die Immobilienanleger treffen würde.«
»Ah.« Kincaid blickte auf das bescheidene Gebäude der Polizeiinspektion ein paar Häuser vor ihnen, das gegenüber von einem Dönerimbiss und einem Taxiunternehmen lag. Erleichtert stellte er fest, dass davor keine Reporter auf der Lauer lagen. Noch nicht.
Er dachte über Freddie Atterton nach. »Das hört sich für mich nach einem Mann an, der ein schlechtes Gewissen hatte. Und der seine Großzügigkeit inzwischen vielleicht bedauert. Ist er in finanziellen Schwierigkeiten?«
»Kann sich gerade so über Wasser halten, laut diversen Quellen in der City, die ich angerufen habe.«
»Dann würde ich sagen, dass Rebecca Meredith’ Anwältin heute unsere erste Anlaufstation ist, sobald wir uns erkundigt haben, was es Neues von den Kollegen der Kriminaltechnik gibt.« Sie hatten sich Namen und Telefonnummer der Anwältin am Abend zuvor von Freddie geben lassen, ehe sie das Cottage verlassen hatten.
Cullen grinste selbstzufrieden. »Ich habe sie gleich heute Morgen angerufen. Sie geht früh ins Büro. Eine sehr zuvorkommende Dame. Sie sagt, falls Rebecca nicht ein neues Testament gemacht hat, geht alles an Freddie, und er ist auch der Nachlassverwalter.«
Kincaid zog eine Braue hoch. Sosehr er Gemma bei seinen Ermittlungen vermisste, musste er doch zugeben, dass Doug tadellose Arbeit leistete. »Wie praktisch.«
»Feine Sache, doch.« Cullen knüllte seine Muffintüte zusammen. »Sie meinte außerdem, ihres Wissens gebe es da noch die eine oder andere Lebensversicherung, und sie hat mir den Namen von Rebeccas Versicherungsmakler genannt. Ich habe eine Nachricht hinterlassen.«
»Eine kleine Welt, dieses Städtchen«, sagte Kincaid, dachte aber dabei, dass Chief Superintendent Childs wohl zufrieden sein würde. Wie es aussah, hatte es Freddie Atterton nicht an Motiven gemangelt, seine Frau zu ermorden.
Sie fanden Detective Inspector Singla mit zwei Detective Constables in dem kleinen Büro, das man ihnen in der Polizeiwache Henley als Einsatzzentrale zur Verfügung gestellt hatte. Singla hatte den Raum mit einer Weißwandtafel für Notizen und einer Pinnwand für die Tatortfotos ausgestattet, und auf einem Konferenztisch wuchsen bereits die unvermeidlichen Papierstapel in die Höhe.
Singla wirkte gestresst; sein Anzug war zerknitterter als am Vortag, und die Constables – eine Frau und ein Mann – sahen nervös aus, als hätten sie bereits den Zorn ihres Vorgesetzten zu spüren bekommen. Der männliche Constable telefonierte gerade, und soweit Kincaid es mitbekam, musste er sich mit Anfragen von der Presse herumschlagen.
»Superintendent«, sagte Singla knapp. Sein Ton war ein wenig missbilligend, als ob sie zu spät zum Unterricht erschienen wären. »Wir haben einen vorläufigen Bericht vom Team der Spurensicherung beim Boot. Sie haben einen Streifen rosa Farbe an der Unterseite des Rumpfs gefunden. Sieht aus wie Abrieb vom Blatt eines Leander-Ruders, aber offenbar weist das eine, das beim Boot gefunden wurde, keinerlei Beschädigungen auf. Außerdem fanden sich Haarrisse im Kunststoffrumpf, die von dem Farbfleck auszustrahlen scheinen. Möglicherweise der Auftreffpunkt.«
Kincaid sah Cullen an. »Könnte sie das selbst verursacht haben?«
»Ich wüsste nicht, wie«, antwortete Cullen stirnrunzelnd. »Obwohl … wenn sie gekentert ist und das Skull sich gelockert hat …« Er ging auf die Pinnwand zu und studierte die Fotos, als könne die Leiche, die sich unterhalb des Wehrs verfangen hatte, ihm etwas verraten. »Ich denke, wenn sie von der Strömung abgetrieben wurde, könnte sie versucht haben, das Skiff mit dem Ruder einzufangen … Das Erste, was ein Ruderer lernt, ist: Lass nie dein Boot zurück. Ein Rennruderboot geht nur unter, wenn es sehr stark beschädigt ist.«
»Wurde das zweite Ruder inzwischen gefunden?«, fragte Kincaid.
Singla fuhr sich mit der Hand über den Schädel, als wollte er seine wenigen verbliebenen Haarsträhnen scheiteln. »Noch nicht. Es könnte weiß Gott wo sein. Die Spurensicherung untersucht gerade die Farbe des verbliebenen Ruders für einen Abgleich.«
»Sonst noch etwas? Gab es am Ufer Spuren eines Kampfs?«
»Nein.« Singlas
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