Die Stimme der Erde
Kassia und reichte Roland die Hand.
»Sie bekommen ein Kind, my Lady.«
»Einen Sohn, my Lord. Ich bekomme einen Sohn.«
Roland betrachtete die beiden. Er kannte Graelam de Moreton seit vielen Jahren und nannte ihn seinen Freund. Aber er kannte ihn nur als harten, unnachgiebigen und unversöhnlichen, dabei starken und tapferen Mann, den man beim Kampf gern an seiner Seite hatte. Aber nie hatte er eine so weiche Seite an ihm entdeckt. Wie konnte er einer so zerbrechlich erscheinenden Dame gefallen? Es war aber so, und Roland fand es ausgezeichnet. Doch für ihn wäre das nichts. Nein, nie. Er verstand diese Gefühle nicht und hatte auch nicht den geringsten Wunsch, sie kennenzulernen.
»Komm jetzt, Roland!« sagte Graelam. »Ich nehme an, du hast mir etwas Wichtiges zu sagen. Kassia, ich möchte, daß du dich jetzt zur Ruhe begibst, Süße.« Er legte ihr die Hand an die Wange und küßte sie auf den Mund. »Geh, meine Liebe!«
Und wieder fragte sich Roland, wie Graelam sich so hatte verändern können. Die beiden Männer saßen im großen Saal von Wolffeton, vor sich Krüge voll Wein.
Ohne lange Vorrede sagte Roland: »Ich muß nach Wales, aber nicht als Roland de Tournay. Du hast doch Freunde unter den Markgrafen dort. Ich könnte eine Empfehlung an einen von ihnen gebrauchen. Vielleicht statte ich ihm einen überraschenden Besuch ab.«
»Du willst wieder den Spion spielen, Roland? Ich zweifle nicht daran, mein Freund, daß du sogar dem lieben Gott einreden könntest, du wärst einer seiner Engel. Ja, ich habe dort Freude. Wenn es sein muß, kannst du zu Lord Richard de Avenell gehen. Er ist der Vater von Lady Chandra de Vernon. Du kennst doch ihren Mann Jarvel, nicht wahr?«
»Ja, ich habe sie beide in Akkra kennengelernt.«
»Gut, das ist abgemacht, Roland. Ich lasse dir von Blount, meinem Verwalter, einen Empfehlungsbrief von Lord Richard schreiben. Willst du sofort nach Wales abreisen?«
Roland lehnte sich zurück. Seine Augen funkelten mutwillig. »Wenn ich darf, Graelam, würde ich gern noch eine Weile hierbleiben und sehen, was sich zwischen Dienwald, seiner Frau und seinem Schwiegervater entwickelt.«
Graelam lachte. »Ja, und ich würde zu gern sehen, was Edward für ein Gesicht macht, wenn man ihm mitteilt, daß Dienwald fluchend ausrückte, als er erfuhr, er sei jetzt mit ihm verwandt! Er wird zum erstenmal im Leben sprachlos sein.«
In der Nähe von St. Erth
Walter de Grasse spuckte Gift und Galle. Er hatte einen heftigen Streit mit Britta hinter sich. Sie hatte sich an ihn geklammert, bittere Tränen geweint und ihn angefleht, bei ihr zu bleiben und Philippa nicht zu folgen. Aber er hatte sich von ihr losgemacht.
Er würde Philippa bekommen, koste es, was es wolle. Er würde sie bekommen und endlich Dienwald de Fortenberry töten. Dieser verfluchte Schuft! Und er würde auch Britta behalten und sich nicht darum kümmern, was die beiden Frauen wünschten.
Er hatte seine Männer schwer zusammengestaucht, weil sie eine Frau mit einem kleinen Jungen aus Crandall ließen. Aber nun waren sie einmal weg, und er mußte darauf sinnen, sie irgendwie wieder einzufangen.
Er lagerte mit sechs seiner fähigsten und rücksichtslosesten Männer in einem Urwald, keine Meile von der Burg St. Erth entfernt. Ein Mann stand immer Wache. Es war Walter gemeldet worden, daß der Herr von St. Erth ohne Begleitung weggeritten und bisher noch nicht zurückgekehrt war. Ebenso war Walter von dem Besuch des Kanzlers und Lord Henrys unterrichtet worden. Philippa und Dienwald mußten inzwischen erfahren haben, wer sie wirklich war.
Warum war dann Dienwald allein von seiner Burg geritten? Das ergab für Walter keinen Sinn.
Er sah den Kanzler mit allen seinen Männern davonreiten. Walter war erleichtert, denn mit den Kriegern des Königs wollte er nichts zu tun haben. Dann ritten auch Lord Henry und seine Männer ab. Walter lehnte sich zurück, kaute an einem rauchgeschwärzten Stück Kaninchenfleisch und wartete weiter.
Burg Wolffeton
»Die Dirne hat ihren eigenen Kopf und ändert sich nicht mehr.«
»Liebt Ihr sie, Dienwald?« fragte Kassia.
»Daß Ihr Frauen immer so albernes Zeug von Liebe schwatzen müßt! Liebe ist weiter nichts als eine Einbildung, die sich bei näherem Hinsehen verflüchtigt.«
»Ihr kommt mir allmählich närrischer vor als Euer Crooky«, sagte Kassia seufzend. »Dienwald, Ihr müßt den Tatsachen ins Auge sehen. Ihr müßt zu Eurer Frau und Eurem Sohn heimkehren. Vielleicht könnt Ihr
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