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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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lieb und teuer geworden.
    Leise vor sich hin singend brachte sie alles in der Verwalterkammer unter. Dann begann sie in gehobener Stimmung, immer noch singend, zu arbeiten. Es ging ihr schnell von der Hand. Sie nahm bei Gorkel für einen neuen Waffenrock Maß und beauftragte ihn, die Kinder zum Binsenschneiden zu schicken. Dann erbat sie von Bennen Rosmarien, um dem frischen Binsen Duft zu verleihen.
    Am nächsten Vormittag unternahm sie wieder mit Edmund einen Ausritt diesmal mit drei Männern Begleitung. In Edwins Abwesenheit führte Gorkel die Krieger. Gerade begab er sich mit ihnen auf den Übungsplatz. Sie hörten ihre lauten Rufe und den dumpfen Aufprall der Lanzen auf den Strohpuppen. Sie hatte vor, das Vieh auf den nördlichen Weideflächen zu besichtigen und zu zählen, um festzustellen, ob die Eintragungen im Verwalterhauptbuch korrekt waren. Sie trug neue Kleidung und fühlte sich wie eine schöne Dame im Kreise von Höflingen. Als das Vieh gezählt war, kehrten sie nach St. Erth zurück, und Philippa setzte sich an ihre Kontobücher.
    Am Morgen des dritten Tages zog sie das Kleid an, das sie sich selbst genäht hatte. Es ließ ihre Beine frei. Ach, wie Dienwald ihr fehlte! Sie sehnte sich nach seinen Händen, seinem Mund und seinem muskulösen Körper. Ihr fehlten sein Lächeln und sein schneller Wortschwall. Wie gern hätte sie sich jetzt mit ihm gestritten oder ihn verspottet! Plötzlich kam es ihr in den Sinn, daß es eigentlich sehr nett sein müßte, ihn zu verführen. Natürlich ein unsinniger Gedanke, aber doch verlockend. Außerdem würde es wohl nie dazu kommen, weil er sie längst vorher verführt hätte.
    Die Zukunft von St. Erth sah schon freundlicher aus. Mit einem bißchen Glück würden sie Rinder verkaufen können. Dann würde Geld in Dienwalds Truhe kommen. Sie mußte nach den Rindern auch noch die Scheine zählen und nichts dem Zufall oder den Berichten anderer überlassen. Von Stunde zu Stunde wuchsen ihre Eintragungen im Hauptbuch an, und die Arbeit für den Herrn von Str. Erth bereitete ihr Vergnügen. An der Ostmauer waren Ausbesserungsarbeiten notwendig. Bald würde genügend Geld vorhanden sein, um Handwerker dafür zu mieten.
    Dann kam Edmund und wollte von ihr wissen, warum sie, ein unbedeutender Maibaum, lesen, schreiben und rechnen konnte. »Weil mein Vater es so haben wollte«, sagte sie. »Aber ich weiß auch nicht, warum er solchen Wert darauf legte. Meine Schwester Bernice hatte dagegen nur Stroh im Kopf. Und außerdem Träume von ritterlichen Verehrern, die Loblieder auf ihre schönen Augen sangen.«
    »Ist sie auch so ein Maibaum wie du?«
    »Nein. Sie ist klein und drall, hat ein spitzes Kinn und sehr rote Lippen, die sie zu einem Schmollmund vorstülpen kann. Das übt sie seit sechs Jahren täglich vor dem Spiegel.«
    »Und was war mit deinen Freiem?«
    »Du fragst mir Löcher in den Bauch. Na schön, zuletzt war es Ivo de Vescy. Er war unsterblich in mich verliebt.«
    »Wollte er dich wirklich heiraten? War er auch ein Riese? Du bist ja fast so groß wie mein Vater. Na ja, vielleicht doch nicht ganz.«
    »Wie willst du kleiner Knirps denn das von da unten beurteilen? Ich reiche deinem Vater beinahe bis zur Nase.«
    »Er hat aber kleine Frauen gern, richtig kleine. Du brauchst dir ja nur Alice und Ellen und Sybilla anzusehen ...«
    »Wer sind denn Ellen und Sybilla?«
    Edmund zuckte die Achseln. »Ach, hab' ich vergessen: Ellen hat von Vater ein Kind bekommen, da hat er sie vorher mit einem Bauern verheiratet. Sybilla kriegte Fieber und ist gestorben. Aber Alice ist wirklich kein, nicht so wie du.«
    Philippa hätte ihm am liebsten die Ohren langgezogen. Sie hätte laut schreien können. Edmunds kindlich freimütige Bemerkungen hatten sie so tief getroffen, daß ihr zum Heulen zumute war. Natürlich hatte Dienwald aus seinen Liebesaffären nie einen Hehl gemacht. Aber daß sie es nun mit Nennung der Namen bestätigt fand, machte sie wütend. Wenn Dienwald jetzt hier gewesen wäre, hätte sie ihm die Faust in den Magen geschlagen, um ihn vor Schmerz brüllen zu hören. Sie hätte ...
    »Vater wird dich zu Lord Henry zurückschicken. Was bleibt ihm denn anderes übrig? Heiraten will er dich nicht. Nie! Is' ja, was er mir gesagt hat.«
    »Das ist«, sagte Philippa automatisch. »Wie kommst du darauf?«
    »Ich habe mal gehört, wie er zu Alain gesagt hat, daß manche Männer sich wegen einer Frau zum Narren machen. Und wenn ein Mann in der Frau mehr sieht als eine angenehme

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